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Pop & Chanson Pop & Chanson: Zu Weihnachten werden für Annett Louisan Märchen wahr

Von Steffen Könau 23.12.2004, 20:36

Halle/Hamburg/MZ. - Sie läuft eigentlich nur so 'rum in ihren knappen Kleidchen, guck mal hier und guckt mal da, reckt sich ein wenig oder streckt sich auch mal. Und mauzt dazu mit Streichelkätzchen-Stimme "Ich will doch nur spielen / ich tu doch nichts". Hinter Annett Louisan klimpert leise eine Gitarre, eine Mandoline schleicht vorüber und die Streicher tanzen mit dem Schlagzeug etwas, das entfernt wie ein Walzer klingt.

Das ist der Rhythmus, bei dem jeder mit muss in diesen Tagen. Vor sechs Wochen noch war sich Annett Louisan zwar sicher, "ein richtig gutes Album" gemacht zu haben. Doch dass ihre bittersüßen Schmusesongs schnurstracks an die Spitze der deutschen Charts klettern, das hätte die 25-Jährige nicht einmal zu träumen gewagt.

Manchmal aber werden zur Weihnachtszeit sogar die ganz großen Märchen wahr. Und so steht Annett Louisan, aufgewachsen in Havelberg im Norden Sachsen-Anhalts, pünktlich zu Heiligabend in der Hitparade vor Superstars wie Britney Spears. Ihr Song "Das Spiel" läuft im Radio rauf und runter, keine Stunde kommen MTV und Viva ohne das Video dazu aus. Und die Magazine singen Lobeshymnen im Chor: Selbst der mäklerische "Spiegel" hört auf Louisans Album "Bohème" begeistert "deutsche Chansons mit grandiosen Texten".

Die gerade anderthalb Meter kleine Altmärkerin sieht es mit Staunen. Eben noch war ihr Leben ganz einfach: Während sie als Background-Sängerin jobbte, träumte sie davon, einmal ein eigenes Album herauszubringen. Wie das werden müsste, davon hatte Annett Louisan eine genaue Vision. "Unverwechselbar, ironisch und mitten aus dem Leben", beschreibt die Hobby-Malerin, sollten ihre Lieder sein. "Denn mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass die Leute darauf warten."

Doch in Zeiten, in denen Pop-Stars in Casting-Shows entstehen, gilt der Bauch in der Branche als schlechter Ratgeber. Hits werden nach Schablone gepresst, Umfragen entscheiden über den Platz am Mikrofon. Annett Louisan weiß das genau, sie hatte genug Angebote, auf diese Art nach oben zu kommen. "Ich bin jung, nicht hässlich, ich kann singen", sagt sie, "da bleibt das nicht aus." Dass sie dennoch stets abgelehnt hat, wirkte nach außen entschieden. Innerlich aber habe sie manchmal gezweifelt. Oft war das Konto leer und ihre schöne Vision nur eine Fata Morgana. "Aber ich wollte mich nicht für den Erfolg verkaufen." Unterstützt von ihrer Mutter und Oma Louise, die bis heute in der Altmark lebt und ihr ganz nebenbei auch noch die Idee für ihren Künstlernamen lieferte, ging Annett Louisan den langen Weg. "Meine Familie hat mich immer unterstützt", erzählt sie, "es gab nie den Vorwurf, Mädchen, fang was Anständiges an." Ganz langsam habe sie so "die Leute finden können, die an mich glaubten und halfen, umzusetzen, was ich im Kopf hatte."

Gemeinsam mit Produzent Frank Ramond hat Annett Louisan dann Lieder erfunden, die klingen wie aus einer anderen Zeit. Ohne Rockgitarren und Techno-Beats haucht sie von Liebe, Lust und Langeweile, und jede Zeile knistert wie Reizwäsche auf nackter Haut. Nora Jones, von ihr verehrt, winkt aus der Kulisse, sonst aber gibt es für diese Musik keine Schublade.

"Ich bin eben Landei und Großstadtgöre", glaubt Annett Louisan, die Anfang der 90er mit ihrer Mutter nach Hamburg zog. Ihre tolle Kindheit habe sie ebenso geprägt wie die Teenagerjahre an der Elbe. "Von Hause aus bin ich naiv, dann habe ich aber auch eine gute Portion Zynismus mitbekommen."

Die hilft ihr jetzt, den Kopf oben zu behalten im Medien-Orkan, der um sie tobt. Bisher hat Annett Louisan es geschafft, obwohl sie es "schon beängstigend" findet, plötzlich überall als Star gehandelt zu werden, wo sie doch eigentlich nur spielen wollte. Dass sie das leicht übertrieben findet, daran lässt sie keinen Zweifel. Aber beschweren wird sie sich nicht. Die grünen Augen leuchten und die Elfenstimme gurrt: "Ich bin doch so glücklich, dass ich das erleben darf."