Paulinerkirche Paulinerkirche: Dorn im Auge des SED-Staates
Leipzig/MZ. - Errichtet als Kirche des Dominikanerordens im 13. Jahrhundert, wurde die Leipziger Paulinerkirche am Augustusplatz 1545 von Martin Luther zur evangelischen Universitäts-Kirche geweiht. Sie diente auch als Promotionsort und Aula. Der Zweite Weltkrieg hat das Gotteshaus verschont, doch den SED-Oberen ist es ein Dorn im Auge. Es steht ihren Plänen von einem sozialistischen Stadtzentrum mit sozialistischer Universität im Wege. Schon 1960 erklärt Staats- und Parteichef Walter Ulbricht bei einem Besuch in Leipzig: "Das Ding muss weg!" Doch es soll noch Jahre dauern, ehe der Stadtrat am 23. Mai 1968 die Sprengung abnickt. Eine Woche später fällt St. Pauli.
In den Tagen vor der Sprengung müssen Arbeiter , bewacht von Aufpassern der Stasi, eiligst die Kirche räumen. Sie schaffen das Gestühl, Epitaphien und Kruzifixe heraus. Was dann beginnt, kommt damals Beteiligten noch heute wie ein Albtraum vor: Die 30 Männer müssen Knochen, Kleiderreste und Grabschmuck aus den in den Grüften gelagerten Sarkophagen klauben und in weiße Kindersärge stopfen - es sind die sterblichen Überreste von rund 800 Menschen, die über Jahrhunderte in St. Pauli beigesetzt worden waren. Lange diente das Gotteshaus als Begräbnisstätte für Professoren und Honoratioren. Mit seiner überstürzten Räumung will der Staat verhindern, dass der Widerstand gegen die geplante Zerstörung noch zunimmt. Denn längst hat sich in Leipzig herumgesprochen, dass die Kirche fallen soll. Täglich kommen Menschen auf dem Augustusplatz zu stummem Protest zusammen.
Bis heute ist unklar, wo die Gebeine aus der Paulinerkirche abgeblieben sind. Nur fünf der Toten, darunter der Philosoph Christian Fürchtegott Gellert (1715 bis 1769) fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Leipziger Südfriedhof. An die übrigen Toten erinnert dort mittlerweile eine Gedenktafel. Den Männern, die die Kirche leerräumten, war seinerzeit erzählt worden, alle Knochen sollten auf den Friedhof umgebettet werden. Doch dazu ist es nie gekommen.