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Oberharz Oberharz: Im Wald der Borkenkäfer

Von Hendrik Kranert 03.04.2007, 18:22

Trautenstein/MZ. - Es summt und brummt in den Waldwiesen rund um Trautenstein. Der Frühling ist in den Oberharz eingekehrt, die Natur hat zum Sprint angesetzt. Idylle pur. Doch Joachim Bauling legt die Stirn in Falten, wenn er durch die Wälder streift. Der Forstbetriebsleiter blickt sorgenvoll auf die Spuren, die Kyrill hinterlassen hat. Wie mit eiserner Faust war der Orkan Ende Januar durch die Fichten gefegt und hatte tausende von ihnen umgeworfen. An manchen Stellen sieht es noch immer aus, als hätten Riesen Mikado gespielt.

Kettensägen allerorten

In den Wäldern summt und brummt es daher nun ebenso wie in den Wiesen - nur lauter. Kettensägen kreischen, Stahlseile wimmern und Dieselmotoren röhren. "Wir sind mit Mann und Maus dabei, die Schäden zu beseitigen", sagt Bauling. Neben seinen Forstarbeitern hat er 15 Fremdfirmen angeheuert. Innerhalb von fünf Monaten müssen die Forstleute soviel Holz aus dem Wald holen, wie sonst in zwei Jahren. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit und gegen einen nur drei Millimeter großen Feind: den Borkenkäfer.

Das Insekt mag es warm und trocken. Und genau so sieht es derzeit in den Wäldern aus. "Wenn es so warm bleibt wie jetzt, dauert es noch zwei Wochen, dann fliegt die erste Population", sagt Revierförster Frank Gröbner. Das ist an sich noch nicht das Problem. Wohl aber die gewaltigen Mengen umgestürzter Fichten, die der Käfer zum Fressen gern hat. In normalen, sprich feucht-kühlen Jahren, braucht eine Population sechs Wochen, um sich zu entwickeln. Dabei legt ein Käferweibchen etwa 20 Eier. In warmen, trockenen Jahren hingegen verkürzt sich die Entwicklungszeit auf vier Wochen, während sich die Zahl der Eier pro Weibchen vervier- bis verfünffacht. "Aus einem Käfer können so innerhalb eines Sommers hunderttausende werden", sagt Forstchef Bauling.

Daher die Eile im Wald. "Wenn wir eine Katastrophe verhindern wollen, muss das Holz bis Juni raus", so Bauling. Walter Pohl weiß daher kaum noch, wo ihm der Kopf steht: "Wir arbeiten seit Februar jeden Tag solange es hell ist", erzählt der Chef eines kleinen Lohnforstunternehmens. Der 59-Jährige muss lange nachdenken, bis er sich an ein Ereignis erinnert, das ähnlich katastrophal war wie Kyrill. 1981 war das, selbst Orkan Lothar Anfang der 90er Jahre richtete nicht soviel Schaden an.

Obwohl seine sechs Mitarbeiter derzeit ein gutes Auskommen haben - glücklich ist Pohl dennoch nicht: "Was wir jetzt aus dem Wald holen, fehlt in den nächsten Jahren bei den Aufträgen." Auch Bauling kann den hunderten Stämmen, die die Forstwege im Oberharz in Form riesiger Barrieren säumen, nur bedingt ein Lächeln abgewinnen. "Das große Angebot hat den Preis ins Stocken geraten lassen - trotz der hohen Nachfrage."

Klima macht Sorgen

Aber es sind nicht nur die vom Sturm gefällten Bäume, die Bauling Sorgen bereiten. Sondern der Klimawandel insgesamt. Die Wälder sind geschwächt durch Trockenheit und Hitze. Im Extrem-Sommer 2003 hatte der Wald bereits einen schweren Schlag verkraften müssen, inklusive Insektenbefall. Normalerweise erholen sich die Bäume von solchen Ereignissen in drei bis fünf Jahren. Doch die Hoffnungen der Förster wurden im vergangenen Sommer wieder zunichte gemacht. Im Juli war es so heiß, dass auf den Nadeln der Fichten bis zu 60 Grad Celsius gemessen wurden. Und nicht nur die Fichten litten, auch zwei weitere Hauptbaumarten - Buche und Eiche. Neben Trockenheit und Hitze setzen diesen beiden Arten zudem die Luftschadstoffe zu. In erster Linie jede Menge Stickoxide aus Verbrennungsmotoren. "Das wird eher mehr, denn weniger", so Bauling.

Vor allem ältere Bäume werden immer schwächer. Schwache Bäume wiederum sind für Schädlinge ein gefundenes Fressen. Ein Teufelskreis schließt sich. "Der Wald ist in einer prekären Situation", bilanziert der Forstexperte. "Wenn das so weiter geht, wird die Fichte zumindest in den unteren Lagen des Harzes verschwinden."