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Neonazi-Versandhandel Neonazi-Versandhandel: Ein Päckchen voller Hass frei Haus

Von Steffen Reichert 24.06.2002, 18:00

Naumburg/Halle/MZ. - Schließlichhatte sich dort im Karpfenweg, wo alles nachdeutscher Normalität aussah, in aller Stilleeiner der größten rechtsextremen Versandhandelin Deutschland etabliert - der "Ultima TVTonträgervertrieb".

Nicht nur die Internet-Eigenwerbung "Aus derBewegung - für die Bewegung" hatte die Fahndervon Polizei und Steuerfahndung hellhörig werdenlassen. Vor allem die Produkte des braunenHandels ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschenübrig. Die Namen der Bands waren stets Programm: Da fanden sich CDvon "Stahlgewitter" und "Standarte" wie auchAufnahmen von "Werwolf" oder "Endstufe". Dawar die Magdeburger Skin-Band "Doitsche Patrioten"ebenso vertreten wie "Macht & Ehre": "Sperrenwir ihn in die Kammer ein und schieben einbisschen Zyklon-B rein", heißt es in einemLiedtext.

Die Fahnder durchsuchten neben der Plattein Heide-Nord und Objekten im Saalkreis damalsauch noch ein Ladengeschäft in Leipzig, woder Ultima-Betreiber Modeartikel und Szene-Devotionalienfür Skinheads verkaufen ließ. Außerdem wurdedie Razzia auf das bayrische Bamberg ausgedehnt- dem Sitz eines engen Vertrauten. Insgesamtstellten die Ermittler damals 2700 Musik-CDund 1080 gedruckte CD-Cover sicher. Der branchenüblichePreis für eine CD - oft in sehr schlechterQualität - liegt zwischen 30 und 40 Mark.Das Geschäft ist also äußerst lukrativ.

Genau dreieinhalb Jahre später haben Polizeiund Justiz nun eines der umfangreichsten Ermittlungsverfahrenim Bereich des Rechtsextremismus zu Ende gebracht."Wir haben jetzt", bestätigt der NaumburgerOberstaatsanwalt Hans-Jürgen Neufang, "gegendrei männliche und eine weibliche Person ausHalle und Bayern Anklage beim LandgerichtHalle erhoben." Die Vorwürfe, die die Juristenzusammengetragen und bei der Jugendkammerangeklagt haben, sind so umfassend, dass dieAnklageschrift rund 90Seiten umfasst. Esgeht um Volksverhetzung, die Verwendung verfassungswidrigerParolen und letztlich um den Verstoß gegendas Waffengesetz.

Der Hauptangeklagte heißt Sven Liebig undist in Sachsen-Anhalt durchaus bekannt. "Erist der führende Rechtsextreme im Süden desLandes", erklärt Werner Sprado, Vize-Chefdes Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt.Liebig betreibe einen Szeneladen in Halle,organisiere verschiedene rechtsextreme Veranstaltungenwie Partys oder Sonnenwendfeiern und sei maßgeblichmitverantwortlich für das Erscheinen des "NationalenBeobachters" in Halle und im Saalkreis. Kurzum:"Sven Liebig", so der Verfassungsschützer,"ist der Rädelsführer der Neonazi-Szene."

Die zwölf Taten, zu denen die Justiz die Vorwürfegegen die vier Angeklagten zusammengefassthat, sind komplex. Extrem schwierig und aufwändigwar es, die Liedtexte der CD auf strafrechtlicheRelevanz abzuklopfen. Der Fall des Verstoßesgegen das Waffengesetz gründet sich laut OberstaatsanwaltNeufang "auf den verbotenen Besitz von Würgehölzern".Auf jede der Einzeltaten stehen drei JahreHaft.

Umfassend geständig sind die Angeklagten freilichnicht. "Teilgeständig" nennt sie der NaumburgerOberstaatsanwalt. "Sie haben praktisch nurdas eingeräumt, was offensichtlich war - nämlich,dass es einen Versandhandel gab."