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Naturschutz Naturschutz: Die Spur der Wölfe

Von MICHAEL FALGOWSKI 06.09.2009, 16:57

HALLE/ALTENGRABOW/MZ. - "Wir bekommen vor unserer Spurensuche immer die Schießpläne und Gefahrenzonen mitgeteilt", erläutert Bundesförster Klaus Puffer. Das ist nicht unwichtig, denn diese Gegend ist seit einem Jahr Wolfsland. Die Wölfin und ihre drei Jungen haben offenbar keine Probleme mit der Bundeswehr, wenn sie über die 100 Quadratkilometer große Heidefläche streifen.

Seit die Tiere im Herbst 2008 in der Heide aufgetaucht sind, stehen die Wölfe - die ersten in Sachsen-Anhalt seit rund 100 Jahren - unter Beobachtung: Sieben Foto-Fallen wurden installiert, und Spurenleser sind unterwegs. Um die Wege der Tiere noch besser verfolgen zu können, sollen sie mit Sendern ausgestattet werden. Ein solches Projekt glückte Wildbiologin Gesa Kluth in diesem Jahr bereits mit zwei Tieren in der Oberlausitz. "Rund 650 Kilometer ist ein junger Wolf gelaufen, bis an die Grenze von Weißrussland und Litauen. Dort haben wir ihn im Juli geortet", sagt die 39-Jährige. "Die Wanderlust hat uns überrascht."

Kluth und Ilka Reinhardt betreuen mit ihrem wildbiologischen Büro "Lupus" im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz die Tiere auf dem Übungsplatz Altengrabow im Jerichower Land. In der Landesbehörde wird derzeit die "Besenderung" der Tiere vorbereitet. "Es ist interessant, die Wege der Wölfe zu verfolgen. Zudem ist es eine Frage des Schutzes der Tiere", sagt Präsident Klaus Rehda unter Hinweis auf mögliche illegale Abschüsse der Wölfe.

Um die scheuen Tiere zu fangen, sollen Fuß-Fallen verwendet werden. Das seien gepolsterte Fangeisen. "Die Wölfe bekommen dann ein Sendehalsband. Dessen Signale werden vom nächsten Mobilfunkmast empfangen und per SMS auf das Handy geschickt", beschreibt Wolfgang Wendt, Fachbereichsleiter im Landesamt, das Vorhaben. Wendt erwartet alleine für die Technik Kosten von 20 000 Euro. Hinzu kämen noch Personalkosten. "Wir müssen erst mal sehen, ob das alles funktioniert", tritt Gesa Kluth auf die Euphoriebremse. Es sei nicht sicher, dass der Plan auf dem Truppenübungsplatz funktioniere. Und in die Falle müssten die Tiere auch erstmal gehen.

In jedem Fall ist das Areal einzigartig. Kluths Kollege Sebastian Koerner nennt den Schießplatz "den nordwestlichsten Vorposten des Wolfs in Deutschland". Denn weiter westlich gebe es keine sich vermehrenden Wölfe in Deutschland. Regelmäßig fahren der 46-jährige Biologe und Gesa Kluth die 230 Kilometer vom Lupus-Büro in Spreewitz bei Bautzen nach Altengrabow. Mit Förster Puffer gehen sie auf die Pirsch, zehn Stunden mitunter. Sie suchen vor allem Kot. Der verrät den Speiseplan und liefert Material für genetische Analysen. Auf den sandigen Wegen suchen sie aber auch einen ganz bestimmten Pfotenabdruck. Der hat ein Maß von 8,5 mal 7,5 Zentimeter - ohne Krallen. "Das ist der Abdruck unserer Wölfin. Von einem großen Hund unterscheiden kann man die Wolfsspuren vor allem durch den typischen schnürenden Gang: Wölfe setzen die Hinterpfoten in die Abdrücke der Vorderpfoten", erläutert Koerner.

Er und Puffer haben die scheuen Tiere auch schon beobachten können. "Die Jungtiere kamen aus dem Ginster und liefen der Wölfin entgegen. Für mich war es ein bewegender Anblick", schwärmt der Förster noch heute.

Solch positiven Gefühle gegenüber dem vermeintlich "bösen Wolf", der für den Menschen ungefährlich ist, hegen nicht alle. Der Grund: Die ersten Hinweise auf die Anwesenheit des Raubtiers im Land waren ein gerissenes Schaf bei Nedlitz und ein toter Damhirsch. Schäfer und Jäger betrachten die Rückkehr des Wolfes dementsprechend skeptisch. "Zunächst auf Kulanzbasis hat der betroffene Schäfer aber eine Entschädigung vom Land bekommen. Glücklicherweise ist seither nichts dergleichen mehr vorgekommen", sagt der Wolfsbeauftragte des Landes, Andreas Berbich. Einzelheiten zu Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen für geschädigte Tierhalter regelt das Wolfsmanagement des Landes, das es seit Oktober 2008 gibt. Der Leitfaden sieht auch die Möglichkeit vor, "Problemwölfe" zu fangen.

Doch nicht nur die Wölfe sorgen gelegentlich für Misstöne. So war es ein Jäger, der Anfang Juni den Rüden des ersten Wolfsrudels in Sachsen-Anhalt illegal erschossen hat (die MZ berichtete). "Das Rudel hat den Verlust des Ernährers zwar überlebt. Ein neuer Rüde ist jedoch bislang nicht aufgetaucht", sagt Kluth. Angesagt ist daher die weitere Spurensuche im Sand. "Wir hoffen für die Zukunft des Rudels, dass im Winter ein neuer Rüde einwandert", so die Wissenschaftlerin. Die Chancen stünden nicht schlecht. "In der Lausitz gibt es inzwischen schon einige junge Wölfe."