Nachterstedt Nachterstedt: Schornsteinfeger jetzt als Krisenmanager im Einsatz
NACHTERSTEDT/MZ. - Offenes Ohr für die Leute
Es ist die größte Herausforderung in seiner noch nicht einmal einjährigen Amtszeit, "eine Ausnahmesituation", wie Hampe sagt. Er meistert sie souverän, mit fast stoischer Ruhe. Auch wenn das Telefon klingelt, Besucher in der Tür stehen und gleich die nächste Einwohnerversammlung beginnt. Seine oberste Prämisse: "Immer ein offenes Ohr für die Leute haben." Vorrangig kümmert sich der Mann, der sonst als Bezirksschornsteinfeger arbeitet, um die 42 Menschen, die nach dem Unglück ihre Wohnungen verlassen mussten. "Ich habe allen gesagt, sie können immer kommen, wenn sie Fragen haben." Er koordiniert die Versorgung mit neuen Unterkünften, hat im Gemeindehaus einen Raum für Kleider- und Wäschespenden einrichten lassen.
Und dann sind da die "vielen tausend Kleinigkeiten", wie Hampe das nennt. Wenn jemand etwa wichtige Papiere im Haus hat liegen lassen, das er jetzt nicht mehr betreten darf. Mit dem Organisieren kennt der Nachterstedter sich gut aus: Nicht nur wegen seiner Schornsteinfegerfirma, die jetzt genauso hintenanstehen muss wie der Urlaub. Hampe sitzt seit knapp 20 Jahren im Gemeinderat. Als bei der Bürgermeisterwahl 2008 der Amtsinhaber nicht mehr antrat, warf er seinen Hut in den Ring - und wurde gewählt. "Ich habe mir gedacht, vielleicht kann ich ja noch ein paar Jahre helfen." An Katastrophenhilfe hat er nicht gedacht.
Spenden aus ganz Deutschland
Es ist eine Hilfe, die nur funktioniert, weil alle mitziehen: die - meist ehrenamtlichen - Einsatzkräfte, Hampes Mitarbeiter, aber auch die spendenwilligen Bürger aus Nachterstedt und anderen Regionen Deutschlands. "Es gibt sogar Angebote für kostenlose Ferienwohnungen, damit die Betroffenen mal ausspannen können", erzählt er. "Soviel Hilfsbereitschaft motiviert."
Über die Frage, was aus dem Tourismus-Projekt am Concordia-See wird, das Hampe im Gemeinderat maßgeblich mitbegleitet hat, mag er noch nicht nachdenken. "Das ist ganz weit hinten in meinem Kopf." Zunächst müsse Nachterstedt wieder zur Ruhe kommt, das werde dauern, glaubt der Bürgermeister.
Er hofft ein wenig auf die Trauerfeier der evangelischen Kirchengemeinde für die drei Verschütteten, die am Freitagabend stattfindet. "Vielleicht können wir da etwas Kraft schöpfen und zeigen, dass wir als Ort zusammenstehen."
Und wie geht es ihm selbst, nach sechs Tagen Dauereinsatz? "Ich bin traurig", sagt der 63-Jährige, "aber solange ich zu tun habe, geht es. Ich habe eigentlich gar keine Zeit darüber nachzudenken." Er macht eine kurze Pause und schiebt dann nach. "Den Menschen, die ihr Zuhause verloren haben, geht es doch viel schlechter."