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Nach Urlaub in Lateinamerika Nach Urlaub in Lateinamerika: Drama in Costa Rica: Köthener wurde ein Bein amputiert

Von Wladimir Kleschtschow 30.12.2004, 19:25

Köthen/MZ. - Mit dem Jahreswechsel geht für Ronald Jurisch ein Jahr zu Ende, in dem sich sein Leben dramatisch veränderte. Wäre es möglich, die Zeit zurückzudrehen, würde er das sofort tun. Dann könnte er ungeschehen machen, was ihm so viel Leid bereitete.

Dabei begann das Jahr durchaus erfreulich für den Mann aus Köthen. Am 12. Februar wurde Dr. Jurisch, Professor am Fachbereich Mathematik / fachbezogene Informatik an der Hochschule Anhalt in Dessau, 50 Jahre alt. Anlässlich des Jubiläums wollte er sich etwas ganz Besonderes leisten: eine schöne Reise. In weite Ferne sollte es gehen, dorthin, wo es im Februar warm und sonnig ist. Das durfte ruhig etwas kosten: Man wird schließlich nur einmal im Leben 50.

Als Reiseziel wählte Jurisch Costa Rica, ein Land in Lateinamerika, von dem Reisende sagen, jeder, der einmal dort gewesen sei, komme wieder. Damit der Urlaub wirklich etwas Besonderes wird, buchte Jurisch nicht pauschal, sondern stellte selbst die Reise zusammen: einen Flug erster Klasse, zwei Wochen in einer Ferienanlage an der Pazifik-Küste - einer der besten Anlagen in Costa Rica, wie er sagt.

Die Sonne, die Landschaften und die Anlage enttäuschten ihn nicht. Lediglich eine Entzündung am rechten Bein bereitete ihm in der zweiten Woche ein wenig Sorgen. Die Haut war gerötet, das Bein angeschwollen. Ronald Jurisch ist zuckerkrank. Jedoch brauchte er bisher keine Insulinspritzen, eine Diät reichte aus. So machte er sich zwar Gedanken um das Bein, dachte aber: Die letzten Tage überstehst du schon, dann bist du in Deutschland und gehst dort zum Arzt.

Am Abflugtag kam er jedoch gar nicht erst ins Flugzeug. An der Abfertigung sahen die Service-Mitarbeiter dem Mann aus Deutschland offenbar an, dass er ernsthaft krank war. "Wir schicken Sie erst einmal ins Krankenhaus, und morgen können Sie vielleicht fliegen", hieß es. Ein Krankenwagen brachte Jurisch in ein Krankenhaus in San José, der Hauptstadt Costa Ricas.

"An die zwei Stunden musste ich warten", so Jurisch. Endlich kam auch er dran. Da der Köthener kein Spanisch kann, fand die Unterhaltung auf Englisch statt. Ein Arzt untersuchte ihn, das Wort "Amputation" fiel. Jurisch: "Ich habe Nein gesagt und dass ich nach Deutschland will." An weiteres Geschehen kann er sich nicht erinnern. "Vielleicht haben sie mir eine Spritze gegeben", vermutet er.

"Als ich wieder zu mir kam, saß ich im Wartesaal des Flughafens", erzählt Jurisch. "Und: Mein rechtes Bein war ab. Sie müssen es amputiert haben, mich noch unter Narkose zum Flughafen gebracht und dort ausgesetzt haben." Später fand er unter seinen Dokumenten eine Rechnung über 250 Dollar. Das waren die Kosten der Amputation. In seinem Portmonee fehlte genau diese Summe. "Finanziell bin ich sehr preiswert davon gekommen", übt sich der Professor heute in schwarzem Humor.

Damals im Flughafengebäude war ihm jedoch anders zumute. Unter Schock stehend gelang es ihm mit Hilfe Einheimischer, in eine Privatklinik in San José zu kommen.

Dort wurde er einen Monat lang behandelt: Blutvergiftung. "Einer von der deutschen Botschaft besuchte mich", sagt Jurisch. "Er erklärte, dass ich angeblich Gasbrand hatte. Und dass in Costa Rica das Einverständnis des Patienten für eine Operation nicht erforderlich sei."

Mit Hilfe seiner Krankenversicherung wurde der Köthener nach Leipzig ausgeflogen. In einer Leipziger Klinik musste er 23 Mal am vereiterten Beinstumpf operiert werden. Erst im August kam er heim. Im Oktober ging Jurisch sogar zwei Wochen lang arbeiten - anstelle des rechten Beins nun eine Prothese.

Doch dann gab es Probleme mit dem linken Bein. Am 5. November kam er wieder ins Krankenhaus, diesmal in Köthen. Das linke Bein war vereitert. "Es sah nicht gut aus", so Jurisch. Sieben Mal wurde er von Chefarzt Dr. Tobias Marcy und Oberärztin Dr. Angelika Klein operiert. Sie retten ihm das Bein.

Am Donnerstag wurde Ronald Jurisch aus dem Krankenhaus entlassen. Nun kann er zu Hause das Jahr verabschieden, das ihm so viel Leid brachte. Und er kann das nächste Jahr begrüßen, das, wie er sagt, nur besser werden könne. Am 12. Februar wird er 51, im April will er seine Tätigkeit an der Hochschule wieder aufnehmen. Vielleicht werden seine Urlaubserlebnisse irgendwann so verblassen, dass er davon ruhig reden kann.