Nach Überfall in Eisleben Nach Überfall in Eisleben: Prozess um den Horror auf der Frühlingswiese

Halle/MZ - „Es war vielleicht der schönste Tag meines Lebens“, sagt der 33-jährige Syrer. Tag eins nach seiner Verlobung, der in Eisleben (Landkreis Mansfeld-Südharz) mit einem Frühstück in gelöster Stimmung begann. Am Ende war der 29. April 2012 ein Tag, der sich zum Albtraum entwickelte, für ihn auf der Intensivstation einer Klinik endete. Er, seine Verlobte und deren Eltern wurden auf dem Frühlingsfest Eisleber Wiese brutal überfallen.
Seit Donnerstag stehen drei mutmaßliche Täter vor Gericht. Bullige 100-Kilo-Kerle, teils mit tätowierten Nacken und kahl geschoren, äußerlich unbeeindruckt. Die Anklage wirft ihnen gefährliche Körperverletzung vor. Eric S., heute 20, habe völlig unvermittelt von hinten vermutlich mit einem Schlagring auf den Kopf des 33-Jährigen eingeschlagen. „Das habt ihr nun davon, Ausländer“ sei gerufen worden. Dann folgten laut Anklage Schläge und Tritte der Angeklagten auf die syrischstämmige Familie. Schlagstock und eine abgebrochene Flasche seien eingesetzt worden.
Der Fall hatte im Vorfeld des Prozesses nicht zuletzt deshalb bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil die Anwälte der Opfer der Staatsanwaltschaft eine Verharmlosung der Tat und zu lahme Ermittlungen vorwerfen. Die aber bestreitet das.
S. habe ihm auf die Schulter getippt und dann sofort zugeschlagen, schildert das Opfer nun am Landgericht Halle. Dann sei weiter auf ihn eingeschlagen und -getreten worden, als er schon am Boden lag. „Ich hatte das Gefühl, wenn ich nicht aufstehe, wird man mich totschlagen.“ Mit dem Schlagstock - einem sogenannten Totschläger - sei auf seine Verlobte und deren Mutter eingeprügelt worden. „Sie haben immer weiter und weiter auf uns draufgeschlagen“, sagt später auch die 23-jährige Verlobte. Ihre Mutter habe regungslos am Boden gelegen, „ich dachte, sie ist tot.“
Der 33-Jährige erleidet mehrere Knochenbrüche im Gesicht und ein Schädel-Hirn-Trauma, hat nach eigenen Angaben seitdem ständig Kopfschmerzen, ist in psychologischer Behandlung. Seine Verlobte bricht schon am Morgen in Tränen aus, als sie die Angeklagten im Gericht wiedersieht. Einer habe sie im Krankenhaus noch mit Gelächter und Stinkefinger verhöhnt. Aus Angst ist die Familie wenig später aus Eisleben weggezogen.
Die Angeklagten indes sind bemüht, ein harmloses Bild von sich zu zeichnen. S. räumt über seinen Anwalt ein, eine Auseinandersetzung mit dem Hauptopfer begonnen zu haben, weil er glaubte, in ihm jemanden wiederzuerkennen, der ihn früher am Tag geschlagen hat (was laut Nebenklage-Anwälten aber gar nicht sein kann). An Details könne er sich nicht erinnern. Seit dem Vorabend sei mit viel Alkohol der Geburtstag seines Mitangeklagten Ronny G. (25) gefeiert worden. Der und der Dritte im Bunde, Marcel H. (32), der gerade in anderer Sache in Haft sitzt, beteuern immer wieder, sie hätten nur schlichten wollen.
Mit der rechtsextremen Szene wollen die Angeklagten nichts beziehungsweise nichts mehr zu tun haben. Er habe nicht aus ausländerfeindlichen Motiven gehandelt, lässt S. erklären. Im bundesdeutschen Verfassungsschutzbericht 2012 wird er als Mitglied der subkulturellen rechtsextremen Szene bezeichnet, seine zwei Unterstützer - wenn auch nicht namentlich genannt - als Männer, die schon mit rechtsextremen Staatsschutzdelikten auffielen. Erst auf mehrfache Nachfrage räumt Ronny G. ein, ein Shirt mit dem Namen einer einst britischen rechtsextremen Terrorgruppe getragen zu haben.
G. war es auch, der Schlagring und Totschläger, ein Geburtstagsgeschenk, dabei hatte. Zum Selbstschutz, wie er sagt, als Richterin Ursula Mertens das „befremdlich“ findet. Den Totschläger will er nur zum Drohen genutzt haben. Verwundert ist die Richterin zudem, dass G. die Waffen versteckt hat und mit H. abgehauen ist, als die Polizei anrückte - erst nach Helbra, dann nach Artern. „Das ist doch Flucht!“, sagt sie. Obwohl sie nur hätten helfen wollen? Darauf reagiert vor allem H. aufbrausend.
Der Prozess soll bis November dauern. Den Angeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft.