Nach Brand in Bad Bibra Nach Brand in Bad Bibra: Händler stehen vor dem Nichts

bad bibra - Drei Kassetten mit Wechselgeld und einige verrauchte Aktenordner: Von ihrer 25-jährigen Arbeit sind Regina Ziegler nur noch verkohlte Reste geblieben. „Das war unser Lebenswerk, jetzt stehen wir vor dem Nichts“, sagt die 62-Jährige und kämpft mit den Tränen. Ihr Mann Siegfried wirkt zwar gefasster, seinen Geburtstag am Sonntag jedoch hatte sich der 63-Jährige anders vorgestellt.
Am Morgen aus dem Schlaf gerissen
Am Mittwoch waren die Eigentümer des Bad Bibraer Bibertalcenters (Burgenlandkreis) am frühen Morgen mit der Nachricht aus dem Schlaf gerissen worden, das Einkaufszentrum stehe in Flammen.
Regina Ziegler eilte zum Unglücksort und musste mit ansehen, wie das 3800 Quadratmeter Gesamtverkaufsfläche umfassende Gebäude mit beißendem Rauch niederbrannte. 80 Feuerwehrleute versuchten über mehrere Stunden hinweg, das Feuer in Grenzen zu halten. Teils mit Erfolg, denn der zum Areal gehörende Supermarkt blieb von den Flammen verschont.
Vier Geschäfte betrieben die Zieglers in dem Gebäude, zwei weitere waren vermietet. Über eine Million Euro, so schätzt Siegfried Ziegler, umfasst der Schaden am Gebäude, den Ladeneinrichtungen und den Waren.
Hoher Schaden, keine Versicherung
Hart getroffen hat es Anne Hensel. Nach der Wende startete sie im 1990 eröffneten Bibertalcenter mit einem Mode-Geschäft in die berufliche Selbstständigkeit.
Bereut hat es die 52-Jährige, die aus einer Händlerfamilie stammt, bisher nicht. Nun muss sie mit einem Verlust von rund 120000 Euro klarkommen. „Da es in den 90er Jahren immer wieder Einbrüche gegeben hat, winkten die Versicherungen ab oder wollten hohe Prämien“, schildert die Geschäftsfrau. Deshalb verzichtete sie auf eine Vorsorge. Ihrer Angestellten, die halbtags tätig war, musste sie kündigen. „Wir haben beide derzeit kein Einkommen, doch die Kosten laufen weiter, das ist hart.“ Dennoch will Anne Hensel weitermachen, egal wie. „Sobald das Gebäude wieder hergerichtet ist“, denn Aufgeben komme nicht in Frage. Zumal die Bad Bibraerin viele persönliche Erinnerungen mit dem Geschäft verbindet.
„Da steckt viel Mühe drin, deshalb macht es mich traurig, dass alles mit einem Schlag vernichtet ist.“
Wut und Fassungslosigkeit
Damit spricht Anne Hensel aus, was auch die anderen Geschäftsleute wütend und fassungslos macht: Offenbar war Brandstiftung Auslöser der Katastrophe. Das bestätigt Feuerwehr-Einsatzleiter Peter Meißner. „Wir wurden zum Brand eines Papierbehälters gerufen, von ihm griffen die Flammen auf das Gebäude über. So ein Container entzündet sich nicht selbst.“
Ein schnelles Ende der Ermittlungen, die inzwischen beim Fachkommissariat 8 der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd laufen, wünscht sich auch Siegfried Ziegler. „Erst dann kommen wir mit der Versicherung weiter, können finanziell etwas durchatmen.“ Den acht Angestellten, die in der Bibertal Center GmbH beschäftigt sind, haben sie dennoch nicht gekündigt. Die teils langjährigen Mitarbeiter sind derzeit im Nachbarort Wallroda untergebracht, nehmen Waren entgegen und betreuen die Kunden, soweit das möglich ist. „Wir hoffen auf die Versicherung zur Betriebsüberbrückung, um die Löhne weiter zahlen zu können. Dauert das länger, müssen wir selbst in Vorleistung gehen“, so Regina Ziegler.
Zuspruch und Ermutigung
Das Ehepaar will nicht aufgeben, obwohl die nächsten Monate die bisher schwersten ihres Lebens sein dürften. „Wir erfahren viel Zuspruch und Ermutigung in der Stadt, das gibt uns Kraft“, sagt Siegfried Ziegler. Der noch nutzbare hintere Teile des Marktes soll renoviert und wieder ans Stromnetz angeschlossen, der vordere Teil komplett erneuert werden. Optimistisch stimmt Ziegler, dass der Supermarkt-Betreiber trotz des Brandes nicht nur den bis 2017 laufenden Mietvertrag einhalten will, sondern bereits eine Verlängerung angekündigt hat. „Wir gehen davon aus, dass er nach Renovierung und Erneuerung in einigen Wochen wieder öffnen kann.“
Geschäft erst am 1. März eröffnet
Den ersten großen Schreck überwunden hat inzwischen Matthias Ludwig. Rund 100000 Euro investierte der Existenzgründer in sein erst am 1. März eröffnetes Fahrrad-Fachgeschäft. „Die teils hochwertigen Räder sind nur noch Schrott“, muss Ludwig nun feststellen. Zum Glück ist er versichert, hofft so, geschäftlich in der Kleinstadt bald wieder auf die Beine zu kommen. In seinem Wohnort Saubach hat er die Arbeit inzwischen wieder aufgenommen, kann seinen Kunden dort zwar nur einen eingeschränkten Service bieten, „aber es ist ein Anfang“. Im Gegensatz zu den anderen Ladeninhabern deponiert Ludwig seine Geschäftsunterlagen zu Hause, das erleichtert die Situation etwas. Anders sieht es bei Regina Ziegler aus. „Telefonverbindungen, Anschriften und Warennummern, E-Mail-Adressen, Belege und Rechnungen - alles ist weg und muss nun mühsam wieder zusammengesucht werden.“
Doch nicht nur damit haben die Zieglers zu kämpfen. Sorge bereiten ihnen die Schaulustigen, die noch immer zum Brandort kommen. „Das Gebäude ist wegen teils drohender Einsturzgefahr abgesperrt, aber das wird einfach ignoriert“, ist Regina Ziegler verärgert. Feuerwehrleute haben deshalb zunächst nachts freiwillig einen Wachdienst übernommen. „Überhaupt sind wir den Einsatzkräften zu großem Dank verpflichtet, sie haben uns geholfen und unterstützt, wo sie konnten.“ (mz)
