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MZ-Serie: Generation Y - Teil 6 MZ-Serie: Generation Y - Teil 6: Das ewige Gender-Thema oder "Du Mädchen!"

Von Doreen Hoyer 02.01.2014, 20:53
Immer gleich auf? Viktoria-Luise und Knut haben unterschiedliche Ansichten, wenn es um das Verhältnis von Mann und Frau geht.
Immer gleich auf? Viktoria-Luise und Knut haben unterschiedliche Ansichten, wenn es um das Verhältnis von Mann und Frau geht. Andreas Stedtler Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Viktoria-Luise Bunzendahl holt erst einmal tief Luft. Es ist schwierig: Wie erklärt man, dass es einem gut geht und man keine Hilfe will? Wenn doch alle der Meinung sind, dass man mies behandelt wird? „Ich bin strikt gegen die Frauenquote. Frauen brauchen sie nicht. Sie ist beleidigend und unfair“, sagt die 20-jährige, die Jura in Halle studiert.

Ursprünglich kommt Viktoria-Luise aus Watzum bei Wolfenbüttel. Sie könnte später selbst von einer solchen Quote, wie sie jetzt für Aufsichtsräte von Dax-Unternehmen geplant ist, profitieren und einen guten Posten bekommen. Die Quote, das ist die grundliegende Idee, könnte Viktoria-Luise vor den Seilschaften alter Männerbünde schützen, in denen nur befördert wird, wer noch mehr Herrenwitze kennt als der Chef.

Was bewegt sie, was will sie, wie fühlt sie? Die Generation der zwischen 1980 und 1995 Geborenen ist kleiner als frühere und startet gerade durch. Volontäre der MZ stellen ihre Altersgenossen, die „Generation Y“ (der Buchstabe „Y“ steht im Englischen für „Why“ - frei übersetzt „Generation Warum“), in einer siebenteiligen Serie vor.

Viktoria-Luise hat einen Jagdschein

„Ich möchte natürlich einen guten Job - aber einen, den ich mir durch meine individuelle Leistung verdient habe, nicht durch mein Geschlecht“, erklärt sie. Sie fühle sich eher bevormundet, wenn jemand sie von der Quote überzeugen wolle - vor allem, wenn Männer mit dem Argument kommen.

Die Studentin hat selbst schon erlebt, dass Mann Frauen wenig zutraut: Viktoria-Luise hat einen Jagdschein und stößt damit in eine Männerdomäne vor. Da passiert es schon mal, dass hart gesottene Waldarbeiter sie fragen, ob sie überhaupt mit einem Gewehr umgehen könne und ob die Wildschweine nicht zu groß für sie seien. Schließlich ist Viktoria-Luise recht klein, zierlich - und eben eine Frau. Solche Erlebnisse ärgern sie aber nicht: Sie seien eher Ansporn, es allen zu zeigen und die Menschen vom eigenen Können zu überzeugen.

"Ich persönlich kann es mir überhaupt nicht vorstellen, vom Geld meines Partners zu leben."

Sich selbst beschreibt Viktoria-Luise als „sehr konservativ und überzeugt davon“. So ist die Ehe für sie klar eine Verbindung zwischen Mann und Frau. Eingetragene Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare finde sie gut, doch der Begriff „Ehe“ passe dafür nicht, sagt Viktoria-Luise. Gleichzeitig wehrt die Studentin sich aber gegen das Vorurteil, sie als konservative Frau wolle ein Heimchen am Herd werden. „So wurde ich nicht erzogen. Meine Eltern waren beide voll berufstätig. Ich persönlich kann es mir überhaupt nicht vorstellen, vom Geld meines Partners zu leben. Aber das muss jeder für sich entscheiden.“

Eine moderne junge Frau ist für sie also selbstständig, und hat vor allem eines: die Wahl. Berufstätig oder Hausfrau, Fünffachmami oder Kinderlose : „Jeder nach seiner Fasson“, sagt Viktoria-Luise. Bei so viel Freiheit spielt das Geschlecht für die junge Frau keine Rolle mehr und Hilfsangebote wie die Quote werden zur Beleidigung.

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Diesen Eindruck hat auch Sabine Ritter gewonnen. Sie ist Studienkoordinatorin für Soziologie an der Uni Bremen. Ihre Studenten seien „außerordentlich emanzipiert“, berichtet die 45-Jährige. Im Alltag der Uni, aber auch während ihrer Forschung fällt Ritter auf, dass junge Frauen und junge Männer gleichermaßen Beruf und Familie verbinden wollen. Soll heißen: Sie geht selbstverständlich arbeiten und er ist ebenso selbstverständlich mit für Haushalt und Kindererziehung verantwortlich. Dabei gehen die Vertreter der Generation Y nach Ritters Beobachtungen sehr optimistisch und positiv an ihre Zukunftspläne heran: „Sie sind in dem Glauben aufgewachsen, die Welt stehe ihnen offen und landen manchmal auf dem Boden der Tatsachen, wenn Kind und Karriere doch schwierig zu kombinieren sind.“ Wenn sie dann über Jahre nur halbtags arbeite und er den Großteil des Geldes heim bringe, schlichen sich althergebrachte Beziehungsmodelle wieder ein. Dann verliere die Frau an Macht und Einfluss in der Partnerschaft, meint Ritter. Das gelte zumindest für Vertreter der Generation Y, die aus der gebildeten Mittelschicht stammten.

Gleichberechtigung – selbst beim Schönheitsdruck

Die Soziologin hat aber noch eine andere Entdeckung gemacht: „Die jungen Frauen machen sich unwahrscheinlich viele Gedanken um ihr Äußeres, mehr als zu meiner Studentenzeit in den achtziger Jahren.“ Der Druck, attraktiv und begehrenswert zu wirken, habe zugenommen - und auch das andere Geschlecht erfasst. „Früher ging Mann alle paar Wochen zum Friseur, das war alles. Heute stylen sich viele tagtäglich die Haare“, erzählt Ritter. Beide Geschlechter sorgen sich sehr um ihr Äußeres. Nach Ritters Meinung herrscht also Gleichberechtigung, selbst beim Schönheitsdruck.

Knut Holburg stammt aus Colbitz bei Magdeburg und studierte Philosophie in Leipzig. „Ich bin Feminist“, erklärt er. Wirkliche Gleichberechtigung sei noch nicht erreicht, da müsse man sich nur die Löhne und Gehälter der Frauen anschauen. Eine Frauenquote sei da zumindest ein hilfreicher Ansatz.

Ein männlicher Feminist - Knut weiß, dass er zu einer selten Spezies gehört. Mit seiner Einstellung trifft der 25-Jährige oft auf Belustigung, von Männern und Frauen gleichermaßen. Das ändert aber nichts an seiner Meinung: „Feminismus bedeutet ja nicht, dass Frauen Männer unterjochen. Es geht um Gerechtigkeit.“

Auch Männer durch festgefahrene Geschlechterbilder benachteiligt

Er denke da zum Beispiel an einen Fernsehabend, bei dem sich einer seiner Freunde immer wieder über eine übergewichtige Sängerin lustig machte. „Ich dachte, Dicken-Witze wären seit der neunten Klasse uncool, da habe ich mich wohl getäuscht.“ Wäre ein dicker Mann zu sehen gewesen, hätte sein Freund es bei einem Witz belassen. Da ist sich Knut sicher. „Aber für manche Leute müssen Frauen attraktiv aussehen, um ein wertvoller Mensch zu sein.“

Der Satz „Du benimmst dich wie ein Mädchen!“ ist für Knut jedenfalls keine Beleidigung. „Mädchen gelten als freundlich, sensibel, kameradschaftlich, daran kann ich nichts schlechtes finden.“

Dabei sei sein Streben nach Gleichberechtigung keine Einbahnstraße. Auch Männer seien durch festgefahrene Geschlechterbilder benachteiligt - „und sei es nur, dass ein echter Kerl keine romantischen Filme gucken oder mit überkreuzten Beinen dasitzen darf.“

Stehen moderne, junge Männer also in stetem Kontakt zu ihrer sensiblen, femininen Seite? Für ihn ist Geschlechterdiskriminierung ein Problem, für andere in seinem Alter nicht, das hat Knut längst gemerkt. Er akzeptiert es, wünscht sich von anderen Vertretern der Generation Y aber manchmal mehr Sensibilität in Geschlechterfragen. „Unsere Generation ist nämlich weit von echter Gleichberechtigung entfernt.“

Geschlecht ist längst nicht so entscheidend wie zum Beispiel der Schulabschluss der Eltern

Konrad Weller betrachtet die Generation Y differenziert. Der 59-Jährige ist Professor für Sexualwissenschaft an der Hochschule Merseburg. Ein Teil der jungen Erwachsenen sei sehr auf Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau bedacht, ein anderer dagegen weniger, sagt er. Das Geschlecht präge das Leben junger Erwachsener längst nicht so stark wie ein anderer Faktor, meint Weller: „Was aus mir wird, bestimmt vor allem das soziale Umfeld“, erklärt er. Soll heißen: Ob man als Paul oder Paula geboren wird, ist nicht so entscheidend wie die Frage, ob die Eltern Abitur oder Hauptschulabschluss haben.

Weller stellte fest, dass die soziale Herkunft die Einstellungen in Geschlechterfragen entscheidend prägt: Während gebildete Mittelschichtssprösslinge viel Wert auf Gleichberechtigung legten, orientierten sich junge Erwachsene aus prekären Verhältnissen häufig an traditionellen Rollenbildern.

"Junge Erwachsene mit hohem Bildungsniveau bekommen spät Nachwuchs."

Eines eint die Generation aber: der Wunsch nach einer Familie. „Außerdem möchten viele gern heiraten, was in früheren Generationen als Inbegriff der Spießigkeit galt“, erzählt Weller. Unterschiede gebe es trotzdem, auch diese ließen sich wieder mit dem sozialen Umfeld begründen: „Junge Erwachsene mit hohem Bildungsniveau bekommen spät Nachwuchs. Dadurch bleibt es dann oft bei einem Kind“, sagt Weller. Wessen berufliche Ausbildung dagegen kürzer sei, der habe auch früher und mehrere Kinder.

Den Bund fürs Leben einzugehen, das kann auch Viktoria-Luise sich gut vorstellen. „Aber einen festen Fahrplan für mein Leben habe ich noch nicht“, erzählt sie und stimmt zumindest darin mit Knut überein. „Vermutlich bringt es nichts, sich auf einen Lebensentwurf festzulegen“, meint er. Wichtig sei nur, dass beide in der Beziehung gleichberechtigt seien. Dem stimmt auch Viktoria-Luise zu.