MZ-Interview mit Möllring MZ-Interview mit Möllring: "Hochschulen müssen besser aufgestellt sein"

Halle (Saale)/MZ - Hartmut Möllring (CDU) gilt als geradlinig, wohnt aber im schrägsten Haus des Landes: In der Grünen Zitadelle Magdeburg, die eigentlich rosa ist und auf deren Dach Rasen wächst. Schon legendär ist seine Floskel, warum er vor gut vier Monaten den Job als Landesminister für Wirtschaft und Wissenschaft spontan übernahm: „Der Mantel der Geschichte weht nur einmal.“ Über Einsparungen bei den Hochschulen, warum die Wirtschaft darbt und warum angeblich die Demonstranten den Ruf der Unis beschädigen - darüber sprachen mit Möllring für die MZ Hartmut Augustin, Kai Gauselmann und Walter Zöller.
Herr Möllring, wie fühlt man sich als wichtigster Landesminister?
Möllring: Das habe ich bisher nicht so gesehen, dass ich der wichtigste Minister wäre. Ich bin nur einer von vielen.
Aber laut einer aktuellen Umfrage ist die wirtschaftliche Entwicklung für die Menschen das wichtigste Thema. Was machen Sie konkret, um gut bezahlte Jobs zu schaffen?
Möllring: Wir fördern viele innovative Unternehmen und haben durchaus schon gute Erfolge. Das kann noch besser werden, aber die Arbeitslosigkeit ist prozentual gesehen zurückgegangen. Leider ist die Zahl der Arbeitnehmer noch nicht gestiegen. Aber auch die Bezahlung wird deutlich besser.
Wann wird es eine Großansiedlung mit tausenden Jobs geben?
Möllring: Das wird es wohl nirgendwo mehr geben, dass auf einen Schlag mit einem neuen Werk auf der grünen Wiese tausend Arbeitsplätze entstehen.
Also geht es nur mit Tippelschritten voran?
Möllring: Viel wenig macht auch viel. Mir sind fünf mittelständische, gut organisierte Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften und sichere Arbeitsplätze schaffen, lieber als eine Blase, wo kurzfristig 1?000 Arbeitsplätze entstehen - die nach drei Jahren wieder weg sind.
Die Chemie hält sich mit Investitionen zurück. Haben Sie Sorge, dass dieses industrielle Rückgrat des Landes wegen der Konkurrenz in Asien brechen könnte?
Möllring: Nein. Aber wir haben ein Problem: die Energiepolitik. Darüber werden wir uns nach der Wahl mit der neuen Bundesregierung unterhalten. Die Chemie investiert derzeit nur in den Erhalt, nicht in neue Standorte. Weil niemand sagen kann, wie sich die Energiepreise und die Energiegesetze entwickeln werden. Das ist aber wichtig, um abschätzen zu können, wann die Investitionskosten wieder reinkommen. Es ist wichtig für Sachsen-Anhalt, dass wir Gewissheit bekommen. Wir brauchen kalkulierbare Kosten und eine verlässliche Gesetzgebung.
Glauben Sie, dass eine neue Föderalismuskommission nach der Wahl Sachsen-Anhalt finanzielle Entlastung bringen könnte?
Möllring: Ich bin hoffnungsvoll, dass wir es nach der Bundestagswahl hinbekommen, dass sich der Bund stärker bei der Hochschulfinanzierung engagiert. Im Moment geht das nicht, wegen des Kooperationsverbotes im Grundgesetz. Das kann man aber ändern. Das wäre nicht nur eine Chance für Sachsen-Anhalt - fast alle deutschen Hochschulen sind mehr oder weniger unterfinanziert.
In welcher Größenordnung müsste der Bund helfen: mit einer zweistelligen oder dreistelligen jährlichen Millionensumme?
Möllring: Da will ich keine Prognose wagen. Wenn der Bund sich engagiert, wird das aber sicher zu einer spürbaren Entlastung bei den Hochschulen führen.
Sie arbeiten an einem Hochschulkonzept. Wie weit sind Sie?
Möllring: Wir haben erste, holzschnittartige Strukturvorschläge, die wir jetzt verfeinern. Diese Vorschläge werden wir aber erst intern beraten und dann öffentlich vorstellen.
Werden Sie denn eine Hochschule schließen?
Möllring: Nein, es gibt keine Überlegungen, einen Standort zu schließen.
Und einzelne Fachbereiche?
Möllring: Ja, selbstverständlich. Jede Strukturdebatte wird Veränderungen bringen. Das ist aber nichts Negatives - sondern kann zum Besseren führen. Strukturveränderungen nur um der Veränderungen willen helfen ja keinem. Die Hochschulen müssen besser aufgestellt sein als vorher.
Wird es bei zwei medizinischen Fakultäten bleiben?
Möllring: Ja. Aber nicht in dieser Form. Wollte die Politik eine Uniklinik schließen, müsste sie Halle nur ermuntern: Bleibt so, wie ihr seid. Dann hätte sich das in zehn Jahren von alleine erledigt. Daran hat diese Landesregierung aber kein Interesse. Und deshalb wird es Veränderungen geben müssen.
Was muss konkret an der Uniklinik Halle passieren?
Möllring: Die beiden medizinischen Fakultäten arbeiten sehr konstruktiv mit. Ich bin mit Dekan Gekle in sehr guten Gesprächen - aber diese Dinge kann man nicht offen auf dem Markt diskutieren.
Gleich zu ihrem Amtsantritt war der Widerstand der Hochschulen massiv. Haben Sie mittlerweile einen Draht zu den Akteuren entwickelt?
Möllring: Ich habe regelmäßig Kontakt zu allen sieben Rektoren. Das läuft sehr korrekt inzwischen.
Sie haben jetzt also ein gutes Verhältnis zu den Rektoren?
Möllring: Acht Freunde sollt ihr sein - so ist es auch nicht. Das ist vielleicht auch gar nicht nötig.
Ein Problem der Unikliniken ist der riesige Investitionsstau von 400 Millionen Euro bis 2025 alleine in Halle. Haben Sie schon eine Idee, wo das Geld herkommen soll?
Möllring: Wir haben dieses Geld nicht. Und auch darüber werden wir mit der neuen Bundesregierung diskutieren. Die Medizinerausbildung hat ebenso wie die kleinen Fächer eine nationale Bedeutung. Ich könnte mir vorstellen, dass sich der Bund da bei der Finanzierung beteiligt. Die Entflechtungsmittel, die eigentlich 2013 auslaufen sollten, wurden vom Bund jetzt verlängert. Ich bin optimistisch, dass wir daraus Mittel für den Hochschulbau bekommen. Das verhandeln wir mit dem Finanzministerium.
Die Hochschulen beklagen schon alleine durch die Spardebatte einen Schaden - so würden etwa Berufungen neuer Professoren schwerer. Wie sehen Sie das?
Möllring: Ist doch klar, wenn es Demonstrationen mit 7?000 Menschen gibt und die Überschrift „Halle bleibt!“ - dann muss sich das für den Fernsehzuschauer außerhalb Sachsen-Anhalts so darstellen, als ob die Uni Halle in Gefahr wäre und geschlossen werden soll. Diese Gefahr hat aber nie bestanden. Das ist dann natürlich gar nicht gut: für das Image nicht und nicht für die Werbung von Professoren und Studenten.
Sie sind seit gut vier Monaten im Amt und haben turbulente Wochen erlebt. Wie oft haben Sie sich gewünscht, Sie hätten nicht nach dem Mantel der Geschichte gegriffen?
Möllring: Ich habe es nicht bereut. Dass die ersten Wochen nicht leicht waren, ist klar. Ich habe aber nicht weinend in meiner Wohnung in der Grünen Zitadelle gesessen und mich gefragt: Hartmut, was machst du hier? Ich mache den Job zunehmend gern.
Was war denn Ihr schönstes Erlebnis in Sachsen-Anhalt?
Möllring: Es klingt vielleicht abgedroschen. Aber was mich wirklich von Sachsen-Anhalt überzeugt hat, das war diese Solidarität während der Flut. Die Menschen haben nicht jammernd in der Ecke gesessen, sondern haben die Ärmel hochgekrempelt und angepackt. Das hat mich schwer beeindruckt.
Und das schlechteste Erlebnis?
Möllring: Weiß ich nicht mehr. Muss ich verdrängt haben. Gott sei Dank erinnert man sich immer nur an das Schöne.
Ist die Landespolitik hier anders als in Niedersachsen?
Möllring: Die Politik in Sachsen-Anhalt wird nicht so durch Auseinandersetzungen bestimmt. In Niedersachsen habe ich die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition als deutlich schärfer erlebt. Auch im Landtag ist hier der Ton moderater. Ich finde es nicht verkehrt, sich in Konflikten nicht so persönlich anzugehen.