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Mordfall Alexandra Ryll Mordfall Alexandra Ryll: Ende des langen Schweigens

Von Katrin Löwe 12.02.2007, 17:45

Halle/MZ. - Richter Jan Stengel ist bekannt dafür, Angeklagten zu Beginn einer Verhandlung noch eine kurze Bedenkpause einzuräumen. Diesmal ist es ein deutlicher Hinweis, den er Jens S. mit auf den Weg gibt. "Es ist wie beim Skat. Wenn man weiß, der andere hat einen Grand auf der Hand, überlegt man, ob man weiterspielt", sagt der Vorsitzende des Schwurgerichts am Landgericht Halle. Wenig später passiert, womit nur wenige gerechnet haben dürften: Jens S., 39-jähriger Eisenschneider aus Neujanisroda (Burgenlandkreis), lässt über Verteidiger Thomas Jauch ein Geständnis verkünden. Die von Oberstaatsanwalt Uwe Damaschke verlesene Anklage sei "im Wesentlichen zutreffend".

Lebensfrohe junge Frau

Um Fassung ringend, den Blick abwechselnd auf Decke und Fußboden gerichtet, hatte kurz zuvor auch Fred Ryll die Anklage verfolgt. Der Vater des Opfers hatte gehört, dass sein Nachbar Alexandra am Abend des 6. November 2004 in sein Haus gelockt haben soll unter dem Vorwand, er habe ihr Handy gefunden. Dass er sie vergewaltigt, mit einem Rundholz gequält und dann aus Angst vor einer Anzeige mit einem Schal erdrosselt und im Keller vergraben haben soll.

Alexandra sei eine lebensfrohe, aufgeschlossene junge Frau gewesen, erzählt der 48-jährige Heizungsbauer später. Glücklich in ihrem eigenen Reich im ausgebauten Dachboden des Hauses, am liebsten mit Freunden unterwegs. Das Leben ohne seine Tochter ist schwer. "Aber es geht weiter", sagt er. "Ich habe noch eine kleine Tochter, da hat man ein Ziel vor Augen." Mit Arbeit versucht Fred Ryll sich abzulenken. Im Gerichtssaal wirkt er ruhig, reibt sich ab und an die Augen. Seine Frau schafft es psychisch nicht, am Prozess teilzunehmen und dem Mann gegenüberzusitzen, der ihr Kind getötet hat. Freundinnen der 21-Jährigen brechen in Tränen aus, als sie sich an den Abend erinnern, an dem Alexandra nicht wie verabredet zu einer Party kam.

Die Beweise gegen den 39-jährigen Nachbarn, der völlig emotionslos den Prozess verfolgt, sind erdrückend. Nicht nur, weil die Parallelen zu früheren Taten offenbar werden. Jens S. ist wegen Vergewaltigung, Kindesmissbrauchs und sexueller Nötigung vorbestraft. Er hat 1993 schon seine frühere Lebensgefährtin vergewaltigt und dann ebenso mit einem Rundholz gequält. Es sind in diesem Fall aber auch die Spuren, die ihn belasten.

Das Handy von Alexandra lag in seinem Küchenschrank. Ein Gutachten belegt, dass seine frühere Aussage, er habe es Monate nach dem Verschwinden der 21-Jährigen auf einem Feldweg gefunden, nicht stimmen kann. Statt der Anzeichen von Erde und Wasser befanden sich an ihm Rußspuren von einem Gasofen - S. heizt sein altes, heruntergekommenes Haus mit Gas. Und dann sind da noch das Fußkettchen und der abgesägte Besenstiel mit DNA-Spuren von Alexandra, ihre gefärbten Haare an einem Schal, der in S. Keller sichergestellt wurde. Und nicht zuletzt die Leiche der jungen Frau, die im April 2006 in einem 60 mal 60 Zentimeter großen Loch im Keller gefunden wurde.

"Es gibt eben Fälle, da kann man nicht leugnen", erklärt Verteidiger Jauch der Presse später. Sein Mandant habe die Tat verdrängt, deshalb monatelang abgestritten, etwas mit dem Verschwinden seiner Nachbarin zu tun zu haben - selbst dann noch, als in seinem Keller die Leiche gefunden wurde. "Er will nun möglichst die Sicherungsverwahrung vermeiden und eine Behandlungsmöglichkeit haben, weil er eingesehen hat, dass er ein Problem hat", sagt Jauch.

Geringe Intelligenz

Ob das Gericht eine verminderte Schuldfähigkeit erkennen wird, bleibt abzuwarten. S. soll jetzt noch einmal psychiatrisch begutachtet werden. Als er im Januar 2006 wegen sexueller Nötigung seiner früheren Lebensgefährtin vor Gericht stand, hatte er Gutachter zwar einen unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten von 63 festgestellt, an der Schuldfähigkeit indes keine Zweifel gehabt. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.