Michelle-Prozess Michelle-Prozess: Entsetzen über Leichenfotos im Gericht

Leipzig/MZ. - "Das ist unfassbar. Ein Schlag insGesicht der Angehörigen, wie er härter nichtausfallen kann", sagte am Dienstag der Sprecherder Opferhilfeorganisation "Weißer Ring",Helmut Rüster.
Zum Prozessauftakt am Montag hatte RechtsmedizinerCarsten Hädrich von der Uni Leipzig am LandgerichtDetailfotos von Michelles grausam zugerichteterLeiche auf eine Leinwand projiziert (die MZberichtete). Ina Alexandra Tust, Anwältinvon Michelles Familie, kritisierte die Präsentationebenso wie der "Weiße Ring" als eine "Entwürdigungdes Opfers". "Ich kann nicht erkennen, welchemZweck das dienen soll", sagte Rüster. Üblicherweisewerden Obduktionsfotos von den Prozessbeteiligtenam Richtertisch betrachtet.
Hädrich bedauert unterdessen die schockierendePräsentation. Ursprünglich sei geplant gewesen,die Leinwand mit dem Rücken zu den Zuschauernaufzustellen. Kurzfristig habe das Gerichtanders entschieden, sagte Hädrich. Nach Angabendes Rechtsmediziners wurde inzwischen eineVereinbarung mit dem Landgericht Leipzig getroffen,dass es künftig keine derartigen Präsentationenmehr geben wird.
Das Gericht hatte zuvor lediglich darauf verwiesen,dass keine Regelungen existieren, "die einemSachverständigen vorschreiben, wie er seinGutachten zu halten hat - oder ihm etwas verbieten".Darüber hinaus werde man sich aus Gründender richterlichen Unabhängigkeit nicht äußern,so Sprecher Hans Jagenlauf. "Die Verhandlungsführungobliegt dem Richter, nicht dem Sachverständigen",betonte indes Professor Stefan Pollak, Vorsitzenderder Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin.Mitunter sei es ausdrücklicher Wunsch vonGerichten, Gutachten bildlich zu untermauern."Sinnvollerweise sollte man sich zurückhalten,um keine Gefühle zu verletzen, aber wenn esnotwendig ist im Interesse der Verständlichkeit,dann muss es geschehen", so Pollak.
Verteidiger Malte Heise hatte das Gerichtam Dienstag als "inkonsequent" kritisiert. Währendbei der Verlesung vom Geständnis des AngeklagtenDaniel V. aus Gründen seines Persönlichkeitsschutzesdie Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, seisie zugelassen gewesen, als es um Opferschutzhätte gehen müssen. Das sächsische Justizministeriumkündigte inzwischen an, nach Prozessende zuprüfen, ob es rechtspolitischen Handlungsbedarfgebe.
