Metro-Überfall von 1997 Metro-Überfall von 1997: Lange Jagd nach dem Mörder
Halle/MZ. - Staatsanwalt Hendrik Weber hat sie alle in einem Karteikasten: die kriminellen Karrieren der Mörder und Totschläger, die er seit 1991 in Halle angeklagt hat. In Stichpunkten zusammengefasst auf Karteikärtchen, von denen die meisten im hinteren Teil des schuhkartongroßen Behälters liegen - bei den abgeschlossenen Fällen. Nur wenige Täter landeten bisher nicht im Gefängnis. Darunter Norman Volker Franz, gesucht nach einem der spektakulärsten Fälle Sachsen-Anhalts: dem Metro-Mord von Halle-Peißen.
An den 21. Juli 1997 erinnert sich Weber noch heute. Er saß im Büro, als kurz nach 8 Uhr der Anruf kam. Weber fuhr selbst zum Metro-Markt, sah den Geldtransporter vor der Schleuse des Großmarktes stehen, sah die Leichen der Wachmänner Gerd K. und Peter S. Der 48-Jährige hat als Staatsanwalt schon hunderte Tote gesehen. "Da muss man sich ein dickes Fell wachsen lassen", sagt er. Dennoch: Weber war entsetzt. "So kaltblütig erschossen. Das gibt es nicht oft." Die 48 und 49 Jahre alten Geldboten hinterließen Frau und Sohn beziehungsweise Frau und drei Töchter. Den Verlust haben diese zum Teil bis heute nicht verarbeitet.
Die Ermittler wussten damals schnell, wer geschossen hatte und rund 500 000 D-Mark erbeutete: Norman Volker Franz, ein zu lebenslanger Haft verurteilter Doppelmörder, der aus dem Justizvollzug Hagen (Nordrhein-Westfalen) ausgebrochen war. Seit März schon war Franz mit seiner Frau Sandra unter den Namen Uwe und Beate Schulz in Hotels der Region abgestiegen - in Brehna, Taucha, Wiedemar. "In einem Fall war er nachlässig und hat den Beherbergungsschein mit richtigem Namen unterschrieben", erinnert sich Weber. Ein Foto von einer Radarfalle zeigte beide. Bald war zudem klar, dass ein Wachmann in Weimar mit derselben Waffe erschossen wurde.
Anderthalb Jahre später, im Oktober 1998, fassten Zielfahnder das Paar in Portugal. Weber erinnert sich an das folgende juristische Tauziehen. Die Portugiesen wollten Menschen nicht ausliefern, denen lebenslange Haft droht. "Wir mussten ihnen erst klar machen, dass lebenslang bei uns in der Regel nur 15 Jahre Haft bedeutet", so der Staatsanwalt. Norman Volker und Sandra Franz klagten sich durch alle Instanzen. Als auch das oberste portugiesische Gericht ihrer Auslieferung zustimmte, floh Franz zum zweiten Mal - wieder mit Hilfe eines flachen Sägeblattes.
Sandra Franz indes wurde mit ihrem auf der Flucht geborenen Sohn nach Halle gebracht. Begleitet von immensen Sicherheitsvorkehrungen, weil niemand einen Befreiungsversuch ihres Mannes ausschließen wollte. "Sie war mitgenommen und ausgesprochen ängstlich", erinnert sich Weber an den ersten Kontakt mit der damals 22-Jährigen. Sandra Franz gestand, bei den Überfällen dabei gewesen zu sein. Sie war ihrem Mann hörig, hatte den Fluchtwagen gefahren. In einem spektakulären Prozess im Hochsicherheitstrakt wurde sie im April 2000 zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Sandra Franz sagte sich von ihrem Mann los. "Man hat aber schon überlegt, ob man ihr das abnimmt", sagt Weber. Eine der Witwen äußerte sich damals entsetzt "über das viel zu milde Urteil."
Sandra Franz ist seit Mitte 2002 wieder frei - vorzeitig auf Bewährung entlassen, die Auslieferungshaft in Portugal wurde ihr angerechnet. Sie hat sich noch im Gefängnis scheiden lassen. "Ende vergangenen Jahres ist ihre Bewährungszeit abgelaufen", so Weber.
Norman Volker Franz indes ist noch immer auf der Flucht. "Unsere Zielfahnder bleiben am Ball", sagt eine Sprecherin des Landeskriminalamtes Düsseldorf. Hoffnung, ihn irgendwann zu kriegen? "Auf jeden Fall", sagt sie. Obwohl Franz schon zweimal von Zielfahndern gestellt wurde, weiß Weber, wie schwierig das ist. "Er ist hochintelligent, spricht mehrere Sprachen." Und wird aus "Fehlern" lernen, die bisher zu seiner Festnahme führten. Dennoch setzt auch Weber darauf, dass seine weiße Karteikarte über Franz irgendwann im Kasten ganz hinten liegt.