Menschenhandel Menschenhandel: Per Reisebus in den Rotlicht-Sumpf
Halle/MZ. - Wer an der Haltestelle "Datschnaja" am Kiewer Prospekt Pobedi einen Reisebus in Richtung Deutschland besteigt, tut das meist in der Gewissheit, höchstens drei Monate später wieder heimischen Boden unter den Füßen zu haben. So lange gilt ein Touristenvisum, das Ukrainer unter Vorlage einer Einladung oder einer Reise-Quittung bei der deutschen Botschaft beantragen müssen. "Ab und an kommt es jedoch vor, dass sich ganze Touristengruppen nach Überquerung der polnisch-deutschen Grenze in Luft auflösen", weiß Frank Knöppler, Abteilungsleiter im Magdeburger Landeskriminalamt (LKA) . "Einige der Reisenden gehen uns dann später im hiesigen Rotlicht-Milieu ins Netz", so der Kriminaldirektor.
Ob mit Vorsatz oder erzwungener Maßen - die Masche, zunächst legal nach Deutschland einzureisen und dann hier oder in einem anderen EU-Staat unterzutauchen, erfreut sich nach Expertenansicht immer größerer Beliebtheit. Nicole Bernstein, Leiterin der Inspektion Kriminalitätsbekämpfung beim Bundesgrenzschutz (BGS) in Halle, zu den Gründen: "Seit Polen und Tschechien in Vorbereitung des EU-Beitritts ihre Grenzen zu den östlichen Nachbarn immer besser sichern, geht die Zahl der illegalen Einreisen konstant zurück."
Der Nachfrage nach billigen und willigen Arbeitskräften insbesondere aus Osteuropa tun die neuen Hürden indes keinen Abbruch. Neben dem Rotlicht-Milieu gehören nach wie vor unter anderem Bauunternehmer in vielen EU-Ländern wie auch Obst- und Gemüseproduzenten in Spanien und Portugal zu den Nutznießern des Menschenhandels. "Die Branche der Schleuser hat sich schnell auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt", weiß Kripomann Knöppler.
Doch auch die Behörden Sachsen-Anhalts haben längst auf den Umbruch reagiert. Seit August 2001 arbeiten Beamte des LKA und des BGS-Amtes Halle in einer "Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Schleusung" bei der Aufdeckung der neuen Strukturen zusammen. Mit Erfolg. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres konnten die Fahnder bei 21 Durchsuchungen insgesamt 16 Tatverdächtige festnehmen. Anders als noch im Juni des Vorjahres, als 400 Polizisten während einer Nacht mehrere Bordelle unter anderem in Halle und Leipzig ausheben und anschließend 97 Ermittlungsverfahren einleiten konnten, gestalteten sich die jüngsten Aktionen schwieriger.
"Hier wurden wir in erster Linie mit dem Phänomen der Wohnungsprostitution konfrontiert", erklärt Knöppler. Weil die Osteuropäerinnen - darunter ein erst 17-jähriges Mädchen - in privat angemieteten Räumen ihrer illegalen Arbeit nachgegangen seien, hätten die Ermittlungen natürlich eines größeren Aufwands bedurft. "Von der Anonymität der wie in Halle über die gesamte Stadt verteilten Wohnungen versprechen sich die Drahtzieher höhere Gewinne und größere Sicherheit vor Entdeckung", so der Kriminaldirektor.
Dass diese Rechnung in Sachsen-Anhalt immer seltener aufgeht, ist mittlerweile auch jenseits der Landesgrenze bekannt. "Die erfolgreiche Arbeit von LKA und BGS sorgt für bundesweite Anerkennung", sagt Oberstaatsanwalt Ingo Sierth. Vor Euphorie müsse freilich gewarnt werden. "Trotz des gestiegenen Drucks beobachten wir auch hierzulande einen Anstieg der Kriminalität im Rotlicht-Milieu."