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Mauerbau in der "Freiheit" 1961 Mauerbau in der "Freiheit" 1961: "Endlich ist die Hintertür zu!"

Von Thilo Streubel 13.08.2013, 13:00
Ausgabe der "Freiheit" vom 14. August 1961
Ausgabe der "Freiheit" vom 14. August 1961 MZ-Archiv Lizenz

Halle (Saale)/MZ - "Endlich! Es war höchste Zeit!", "Darauf haben wir schon lange gewartet": Schlagzeilen, die klingen wie nach dem Gewinn einer Fußball-Weltmeisterschaft. Gemeint war allerdings die Schließung der Grenzen zwischen Ost- und Westberlin - wohlgemerkt aus ostdeutscher Sicht. Die SED-Bezirkszeitung "Freiheit", Vorläufer der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung, berichtete am Montag, 14. August 1961 über die Reaktionen auf die Grenzschließung am 13. August. Der Tag, der symbolisch für den Mauerbau steht, erscheint mit Blick auf die Ausgabe der Freiheit in einem sehr einseitigen Licht. Die Perspektive der DDR und der Sowjetunion mag aus heutiger Sicht fast schockieren, aber illustriert die damalige Situation in der gleichgeschalteten Presse sowie der Politik. Was aber das Volk wirklich dachte, lässt sich daraus kaum ablesen.

Ost-Mächte werfen Westen Kriegstreiberei vor

Auf der Titelseite druckte die Zeitung eine Erklärung der Warschauer-Vertrags-Staaten (Warschauer Pakt), der von gescheiterten Friedensbemühungen seitens der Ostblock-Staaten berichtet. Die Sowjetunion hatte als Voraussetzung für einen Friedensvertrag auf Westberlin als entmilitarisierte Zone bestanden.

Laut der gedruckten Erklärung der Warschauer-Vertrags-Staaten hätten die "Westmächte [...] die von Friedensliebe getragenen Vorschläge der sozialistischen Länder mit verstärkten Kriegsvorbereitungen, mit der Entfachung einer Kriegshysterie und mit der Androhung militärischer Gewalt" beantwortet. Damit erklärten die Ostblock-Staaten die Verhandlungen für gescheitert. Ein Beschluss des Ministerrats geht noch einen Schritt weiter: "Die Erhaltung des Friedens erfordert, dem Treiben der westdeutschen Revanchisten und Militaristen einen Riegel vorzuschieben."

Das ist eine Rechtfertigung der Grenzschließung. Die Logik dahinter: Dort drüben die Kriegstreiber und hier die friedliebenden Sozialisten. Hinter den Kulissen allerdings hatte die Regierung unter SED-Chef Walter Ulbricht ganz andere Probleme. Gut ausgebildete DDR-Bürger verließen in Scharen das Land. Ulbricht wollte die Abwanderung der Fachkräfte stoppen. Seine Bitte an die Sowjetunion: Die Berlin-Frage muss geklärt werden. Im August 1961 war es soweit.

Leser aus dem Bezirk Halle einhellig für den Mauerbau

Die Journalisten der Freiheit sammeln auf der Seite drei unter der Überschrift "Endlich ist die Hintertür zu!" Reaktionen aus dem Bezirk Halle. Eine demokratisch ausgewogene Meinungsvielfalt herrscht hier nicht. Die einhellige Meinung gleicht einer Jubelfeier. "Das war ja auch höchste Zeit! Fast jeder Spaziergänger durch die belebten Straßen der Bezirkshauptstadt, fast jeder der Reisenden im Hauptbahnhof, fast jeder der Schaulustigen an der Strecke des Straßenradrennens 'Rund um Buna' begann seine Meinung mit diesem Satz", so die angeblichen Eindrücke der Journalisten.

Zitieret wird Braunkohlekumpel Schmidt aus Bruckdorf: "Es ist richtig, dass man den Schiebern das Handwerk legt. Ich kann mir nicht denken, dass bei uns jemand gegen diese Maßnahmen etwas einzuwenden hat, es sei denn, er tutet mit denen da drüben, die einen Krieg wollen, in ein Horn." Weiterhin werden Arbeiter aus den Leuna-Werken, LPGler und Tagebau-Kumpel befragt. Kritische Anmerkungen findet man nicht.

Situation in Berlin ohne besondere Vorkommnisse

Auf der Seite vier schildert ein Korrespondent die Situation in Berlin vom 13. August: "Bewaffnete Einheiten der Volkspolizei haben die gesamte Grenzlinie nach Westberlin abgesperrt. [...] Mehrere Stunden habe ich mich an den Brennpunkten des Geschehens umgeschaut. Zwischenfälle erheblicher Art konnte ich nicht entdecken." Berlin, Ost wie West, schien in Schockstarre. Doch die Ruhe hielt nicht lange an. Erste Fluchtversuche der Ostberliner folgten Ende August. Entgegen der Meinung von Braunkohlekumpel Schmidt hatte das Volk wohl doch etwas gegen die Maßnahmen.

Titelseite der "Freiheit" vom 14. August 1961
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Ausgabe der "Freiheit" vom 14. August 1961
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