Mansfelder Land Mansfelder Land: Hoffen auf treuen Nachwuchs
Ritzgerode/Ulzigerode/MZ. - Es ist der Inbegriff dörflicher Ruhe: Nur ein paar Hunde bellen auf dem Rundgang durch Ritzgerode. Das Leben spielt sich tagsüber fast ausschließlich in der Kfz-Werkstatt am Ortseingang nahe der Bundesstraße 242 ab. Die Gaststätte hat nur freitags zum Stammtisch und zu Wochenend-Feiern geöffnet. Mit mobilen Gulaschkanonen versuchen Betreiber Ingo Klimm und seine Frau das zu verdienen, was im Ort selbst nicht drin ist. Ritzgerode ist mit 87 Einwohnern die kleinste Gemeinde im Mansfelder Land.
Vom Aussterben bedroht, wie es Wissenschaftler den Mini-Orten prognostizieren, weil das öffentliche Leben wegen Einwohnerverlusten bald nicht mehr finanzierbar ist? "So große Sorgen machen wir uns nicht", sagt Bürgermeister Rainer Stedtler (SPD). Auf einem Tisch in der Werkstatt, die er mit einem Partner betreibt, liegt eine Broschüre und verbreitet gute Stimmung: Fruchtsafthersteller Beckers Bester (Eisleben) hatte 2006 sein bestes Geschäftsjahr, Backwarenhersteller Klemme (Eisleben) schafft 100 neue Jobs, die Mansfelder Kupfer und Messing GmbH spricht von positiver Tendenz. "Die Menschen hier sind standorttreu, wenn sie in der Nähe einen Job kriegen", sagt Stedtler.
Oder ein Haus haben. "Die Immobilie hält einen", meint die 46-Jährige Karina Menzel. Auch wenn sie keine Arbeit hat. Dass junge Leute gehen könnten, macht ihr Sorgen. Aber wollen die weg? "Nein, hier ist es besser", sagt jedenfalls der 16-jährige Torsten Becker, der am Nachmittag mit dem Schulbus ankommt. Zu laut, zu stickig - ihn zieht nichts in die Stadt. Nicht einmal die Tatsache, dass in Ritzgerode "oft tote Hose" ist. Ab und an ist Disko in der Dorfgaststätte, ansonsten hat man sich organisiert - ohne Auto geht sowieso wenig. Läden sind Kilometer entfernt.
17 Einwohner sind zum Stichtag 31. Dezember 2005 in Ritzgerode jünger als 20 Jahre. Zwei kommen bald dazu. Auf sie setzt Stedtler Hoffnung, selbst wenn sich der Einwohnerschwund nicht ganz aufhalten lässt. "Ein Haus baut man doch nicht nur für 35 Jahre. Das sollen die Kinder übernehmen. Wir müssen attraktiv genug sein, dass sie hier bleiben", sagt er. Und fragt: "Warum wurde Dorferneuerung gefördert, wenn die Orte sterben sollen?" 500 000 D-Mark flossen bis 2001 in Ritzgerode. "Wir müssen über Jahre Geschaffenes nur erhalten", sagt der Bürgermeister. Und nennt Beispiele, wie das Leben finanzierbar bleibt. Mit Einheitsgemeinden etwa. Oder einer Abwasserentsorgung über vorhandene
Klärgruben. "Der Abwasserzweckverband lässt aber immer noch Studien für eine zentrale Lösung und ein Klärwerk anfertigen. Was das kosten würde! Für die paar Grundstücke." Auch die Gemeindekasse würde das belasten. "Jetzt sind wir noch liquide", so Stedtler.
Von schwarzen Zahlen spricht auch Günter Kubs (parteilos), Bürgermeister im wenig entfernten Ort Ulzigerode, der von 195 Einwohnern (2006) gerade auf 200 angewachsen ist. Ein 7 000 Euro teurer Spielplatz ist frisch gebaut - Zeichen gegen das Dorfsterben. "Wir blühen auf", sagt Kubs bestimmt und legt los: zwölf neue Einwohner seit 2005, derzeit 20 Kinder unter neun Jahren, zehn Jugendliche. Der Jugendclub ist saniert, ein Verein kümmert sich um Kirche und Kultur. Ulzigerode will interessant bleiben. Auch wenn der Ort, wie Kubs nachdenklich sagt, zunehmend "Wohnsiedlung" wird. Die Gaststätte wird seit Jahren nicht betrieben, der Laden im Nachbarort hat jetzt geschlossen. Das bedauern trotz fahrender Händler und des kostenlosen Bustransfers von einem Hettstedter Einkaufsmarkt vor allem Rentner wie die 73-jährige Hannelore Schulz. Von ihnen gibt es viele - rund 50 Einwohner sind schon älter als 60. Dem neuen Kreis Mansfeld-Südharz droht laut Prognosen ein Bevölkerungsverlust von 29 Prozent.
Kubs bleibt dennoch Optimist: Sieben Bauplätze hat der Ort noch geschaffen, Anfragen gibt es schon.