1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Magdeburger Tunnelblick: Magdeburger Tunnelblick: City-Tunnel wird deutlich teurer

Magdeburger Tunnelblick Magdeburger Tunnelblick: City-Tunnel wird deutlich teurer

Von Julius Lukas 27.10.2014, 09:17
So könnte es in der Nähe des Magdeburger Bahnhofs aussehen. Die Straßen werden in einem Tunnel verschwinden.
So könnte es in der Nähe des Magdeburger Bahnhofs aussehen. Die Straßen werden in einem Tunnel verschwinden. Simulation: archimetrix Weimar/Berlin, Stadt Magdeburg Lizenz

Magdeburg - Große Bauprojekte haben zwei charakteristische Merkmale: Sie dauern länger als geplant und kosten mehr als gedacht. Beispiele dafür gibt es genug. Der City-Tunnel in Leipzig verschlang mit 960 Millionen Euro fast 70 Prozent mehr als anfangs kalkuliert. Zudem sollte die 2013 eröffnete Röhre bereits 2009 fertig sein. Ähnlich sieht es bei der Elbphilharmonie in Hamburg aus oder bei dem Berliner Großflughafen.

Lutz Trümper (SPD) kennt diese Beispiele. Magdeburgs Oberbürgermeister hätte jedoch nicht gedacht, dass er mal ein eigenes hinzufügen muss. Das Großprojekt seiner Stadt heißt wie das in Leipzig: City-Tunnel. Die Ernst-Reuter-Allee, eine der Verkehrsadern in Magdeburg, soll in Höhe des Hauptbahnhofes unterkellert werden. Eine Röhre für Autos, 323 Meter lang. Zunächst war das Projekt mit 60 Millionen Euro veranschlagt.

Eigenanteil steigt drastisch

Das Konzept gibt es seit acht Jahren. Ebenso lange wird darüber gestritten. „Der Tunnel hätte heute schon fertig sein können“, sagt Trümper. Gebaut ist aber noch fast nichts. Und nun ist die Debatte erneut entbrannt.

Anfang Oktober kam nämlich das zweite Charakteristikum eines Großprojektes hinzu. Da musste Trümper eine Kostensteigerung verkünden, die sich zumindest prozentual mit dem Pendant aus Leipzig messen kann. Für die Baukosten, dem finanziellen Kernstück des Projektes, wurden Angebote eingeholt. Geplant waren 40 Millionen Euro. Die beste Offerte eines Unternehmens liegt bei 68 Millionen Euro. 70 Prozent mehr, so dass die gesamten Baukosten jetzt schon bei rund 90 Millionen Euro liegen.

Eigenanteil in Höhe von 28,5 Millionen Euro

Für die Stadt kommt es noch schlimmer. Anstatt des einkalkulierten Eigenanteils von 8,5 Millionen Euro geht der Oberbürgermeister jetzt von 28,5 Millionen Euro aus - und die müssen über neue Schulden finanziert werden. Das wäre eine verantwortungslose Politik, sagen Kritiker wie Sören Herbst, Landtagsabgeordneter der Grünen und Stadtrat in Magdeburg. Er und seine Partei haben immer wieder für tunnellose Konzepte plädiert.

„Es gibt keine sinnvollen Alternativen“

Doch Trümper blieb bis jetzt bei seiner Lösung. Und nun hat er kaum noch eine andere Möglichkeiten. „Es gibt keine sinnvollen Alternativen“, sagt der Oberbürgermeister. Lieber sollen andere Bauprojekte, wie die dringend benötigte Verlängerung einer Elbbrücke, zurückgestellt werden. Alle Fördermittel vom Land will der Oberbürgermeister in die Röhre fließen lassen. Der Tunnel, das ist sein Projekt und er will es zu Ende bringen.

Dabei stammt die Idee zum Umbau des Kreuzungsbereichs nicht von Trümper. Magdeburg wurde eher dazu gezwungen - von der Deutschen Bahn. Die verkündete im Frühjahr 2004, dass sie drei Gleisbrücken beim Hauptbahnhof erneuern will. Nach einer Prüfung war klar: Die Stadt muss sich am Umbau beteiligen. „Wir wollten die Brückenarbeiten nutzen, um die Kreuzung neu zu gestalten“, erinnert sich Trümper.

Aus Verkehrssicht ist der Bereich unter den Bahnbrücken ein Katastrophengebiet. Durch die enge Durchfahrt drängen sich dauerhaft Autos. Fußgänger, die vom Hauptbahnhof kommen, können die Straße nicht überqueren. Sie können die nächste Straßenbahnhaltestelle nur durch eine schmuddelige Unterführung erreichen.

Mehr zum Thema lesen Sie auf der folgenden Seite.

Nach zwei Jahren Planung wird im März 2006 zum ersten Mal das Tunnelkonzept präsentiert. Ziel ist es, den Autoverkehr unter Tage zu verlegen, um oben Platz für Fußgänger und Straßenbahnen zu schaffen. Was dann passiert, ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein öffentliches Bauprojekt konsequent zu einem Desaster diskutiert wird. Es gibt zahlreiche Veränderungswünsche und Gegenkonzepte. Das Projekt wird laufend ausgedehnt. Einige wollen den Tunnel sogar bis zur anderen Elbseite treiben. Zeit vergeht, die Kosten steigen.

City-Tunnel als Prestigeobjekt?

Im Jahr 2008 formiert sich die Bürgerinitiative „Tunnel stoppen“. Ihr Kopf ist Oliver Wendenkampf, Landesgeschäftsführer der Naturschutzorganisation BUND und Stadtrat für die future!-Partei. Er ist der erbittertste Kämpfer gegen Trümpers Röhre. „Ich hab schon immer gesagt, dass die Kosten exorbitant steigen werden“, triumphierte Wendenkampf, nachdem die Verteuerung Anfang Oktober bekanntwurde. Für den Stadtrat ist der Tunnel überdimensioniert. „Mir kommt es so vor, als wollte man nur ein Prestigeobjekt schaffen“, sagt er. Mit seiner Bürgerinitiative hat Wendenkampf mehrere Alternativkonzepte entworfen. Das prominenteste ähnelt dem der Grünen, das auch Sören Herbst unterstützt. Es ist die sogenannte Null-Variante. Man geht also nicht eine Etage nach unten, sondern bleibt an der Oberfläche. Die Straße müsste verbreitert und ein wenig abgesenkt werden. Mehr nicht.

„Es ist doch vollkommen logisch, dass diese Maßnahme nicht so teuer wie ein Loch in der Erde wäre“, sagt Herbst. Trümper hält dagegen: „Die Null-Variante würde aber das Verkehrsproblem nicht lösen.“ Wendenkampf hingegen meint: „Der Tunnel tut das auch nicht.“ Und so wird bis heute hin und her argumentiert.

Weitere Einzelheiten lesen Sie auf Seite 3.

Vieles ist Ansichtssache. Einiges wurde auch schon juristisch geklärt. Die letzte Auseinandersetzung führte bis vor das Oberverwaltungsgericht Magdeburg. 2013 stritt man dort über die Durchfahrtshöhe, die erreicht werden muss. Das Gericht gab der Ansicht der Stadtverwaltung Recht. Seitdem kann gebaut werden.

Doch die Quittung für den langen Anlauf gab es Anfang Oktober. „Die Baupreise sind in den letzten Jahren explodiert“, sagt Trümper. „Hätten wir 2008 mit den Arbeiten begonnen, hätten wir die Hälfte bezahlt.“ Stattdessen wird jetzt mit 90 Millionen Euro Gesamtkosten gerechnet. „Ich bin mir sicher, dass es noch dreistellig wird“, sagt jedoch Oliver Wendenkampf.

Dass so viel Zeit verstrichen ist, liegt auch an den Gegnern des Tunnels. Und die haben sich damit ein neues Argument geschaffen: die Kostensteigerung. Die nutzen sie auch gleich und fordern den sofortigen Rückzug vom Projekt.

Vorschlag Ende des Monats

Doch geht das überhaupt noch? „Die Bahn wird bauen“, sagt Trümper. Die neuen Bahnbrücken seien schon geplant, die Gleise bestellt. Steigt die Stadt jetzt aus, droht eine Klage. Nicht das einzige Problem. Planung und erste Arbeiten haben schon fünf Millionen Euro gekostet. Die will Trümper nicht umsonst investiert haben. „Wenn mir jemand eine Variante präsentiert, die zehn oder 20 Millionen Euro spart, dann sage ich nicht Nein“, meint der Oberbürgermeister. Aber die sehe er nicht. Hinzu kommt die verlorene Zeit. „Fangen wir jetzt wieder von vorne an, dann dauert es wieder Jahre, bis etwas passiert“, sagt er.

Derzeit werden alle Varianten noch einmal geprüft. Bis Ende des Monats will Trümper sich entscheiden, wie es weitergeht. Dann macht er dem Stadtrat einen Vorschlag. Lutz Trümper sagt aber auch: „Ich bin das Hin und Her leid.“ Der City Tunnel hat ihn viel Kraft gekostet und man merkt dem Oberbürgermeister an, dass er derzeit vor allem eines will: Endlich fertig werden.