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Magdeburger Fußballer Ingolf R. Magdeburger Fußballer Ingolf R.: Die rätselhafte Flucht des schnellen Linksaußen aus der DDR

Von Steffen Könau 02.01.2016, 10:37
Ingolf R. als Vierter von links neben den Stars des FCM
Ingolf R. als Vierter von links neben den Stars des FCM FCM Lizenz

Magdeburg - Für das Ministerium für Staatssicherheit war er vom selben Moment an ein „ehemaliger Fußballspieler“. Ingolf R., hoffnungsvolles Nachwuchstalent des späteren 1. FC Magdeburg, hatte einen Fehler gemacht. Nach einem Europapokalspiel mit seinem Verein im schweizerischen Sion Anfang Dezember 1965 war der gebürtige Halberstädter nicht wieder zurück zum Magdeburger Mannschaftshotel gekommen. Sondern zum Konsulat der Bundesrepublik in Genf gefahren, um dort zu fragen, wie er am besten im Westen bleiben könne.

R. ist 21, ein schneller Linksaußen, ausgebildet bei Lok Halberstadt und in seiner ersten Saison bei Aufbau Magdeburg, wie der FCM noch heißt. 8:1 haben sie den FC Sion aus dem Stadion gefegt, dennoch sieht R. keine Zukunft für sich in der DDR. Er wird zum „Verräter“, wie es ein Bericht der Staatssicherheit nennt, der in Kopie auch an DDR-Sportchef Manfred Ewald geht. R. habe über die Zusammensetzung der Fußballdelegation aus Magdeburg berichtet, zudem habe er Angaben dazu gemacht, welche anderen Fußballspieler „eventuell noch die Absicht hätten, die DDR illegal zu verlassen“.

Zudem sei er bereit gewesen, Auskunft darüber zu geben, „wie die Regelungen für die Vergütung für die Kader im Fußball ist“. In der DDR mit ihrem behaupteten Amateursport sind das Staatsgeheimnisse. Von denen Ingolf R. zum Glück noch nicht so viele kennt. Es gebe 100 Mark für jedes gewonnene Spiel und 15 Mark extra für einen erfolgreichen Torschuss, gibt er an. Zudem hätten Nachwuchsspieler wie er wöchentlich zwölf Stunden zu trainieren, wofür sie eine Freistellung von ihren Betrieben erhielten.

Zu den Beträgen, die für internationale Einsätze gezahlt werden, kann der junge Spieler gar nichts sagen. Er sei von Berlin noch nicht eingestuft.

Zur großen Erleichterung des MfS, das den sozialistischen Fußballsport nicht nur aufgrund des persönlichen Interesses von Stasi-Minister Erich Mielke streng bewacht. Als Ingolf R. Anfang März 1966, nur rund 90 Tage nach seiner Flucht, vor der Tür steht und bittet, in die DDR zurückkehren zu dürfen, überlässt das MfS die Entscheidung dem Sportverband. Der DTSB ist gnädig, R. darf. Er spielt noch zwei Jahre ohne großen Erfolg in Magdeburg, dann wechselt er nach Henningsdorf. Dort verliert sich seine Spur. (mz)