Luftfracht Luftfracht: Alles durchleuchtet

SCHKEUDITZ/MZ. - Grüne Lichter weisen der Boeing 757 den Weg. Die gelbe Maschine mit den großen roten Lettern DHL rollt auf dem Vorfeld in ihre Parkposition. Im Bauch des Fliegers befinden sich rund 80 Tonnen Fracht. Sobald die Triebwerke schweigen, umkreisen Schlepper das Flugzeug. Ein sogenannter Highloader rückt zum Entladen der Container an. "Wir müssen in der Lage sein, innerhalb von 105 Minuten jedes Päckchen umzuschlagen", sagt Eric Malitzke, Geschäftsführer des DHL Hub Leipzig. Die Zeit ist knapp.
Das Drehkreuz am Flughafen Leipzig / Halle ist eines der größten Umschlagzentren für Luftfracht in der Welt. In der Zeit zwischen 23 und 5 Uhr landen und starten hier 58 Großraumflugzeuge aus Europa und Übersee. 215 000 Sendungen werden täglich umgeschlagen - Tendenz steigend. Doch seit Ende Oktober in Nottingham (England) und Dubai in Frachtfliegern zwei Paket-Bomben gefunden wurden, die aus dem Jemen stammten, wird die Sicherheit in der Luftfracht infrage gestellt. Das Bundesinnenministerium sieht Handlungsbedarf. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, spricht von Sicherheitslücken "so groß wie Scheunentore".
Für das Drehkreuz Leipzig trifft dies so nicht zu. Wer in das Logistikzentrum möchte, muss einen Sicherheitscheck wie an jedem deutschen Flughafen durchlaufen - mit Schuhe ausziehen und Durchleuchten des Gepäcks. Dies gilt bei DHL auch für die Fracht. Wolfgang Albeck, Leiter von DHL Express Deutschland, will aus Sicherheitsgründen zu dem sensiblen Bereich wenig Details verraten. Er gibt aber einen kleinen Einblick. "Alle DHL-Sendungen durchlaufen eine Sicherheitskontrolle", sagte er. "Die Standards gelten weltweit." So werde ein Päckchen, das etwa von einem Kunden in Berlin aufgegeben wird, im dortigen regionalen Sortierzentrum geröntgt. Dies gelte sowohl für die Post von Einzelkunden wie auch von Firmenkunden. Kritik an der Branche wurde zuletzt vor allem deshalb laut, weil Fracht von als bekannt geltenden Absendern wie Unternehmen oft nicht kontrolliert wird. Für DHL Express gilt dies laut Albeck nicht. Ob bei den Kontrollen allerdings auch die raffiniert gebauten Bomben aus dem Jemen erkannt worden wären, lässt er genauso offen wie die Frage, ob beim Umschlag in Leipzig ein zweiter Check stattfindet.
Albeck betont, dass es für DHL Express einfacher als für andere Firmen sei, die Kontrollen durchzuführen. "Unsere Fracht besteht überwiegend aus Päckchen, die leichter zu überprüfen sind als etwa Maschinenteile." Doch reichen die Sicherheitsstandards aus?
Eine Verschärfung der Maßnahmen durch zusätzliche Kontrollen würde die Luftfracht treffen - nicht nur wegen höherer Kosten. Das knappe Gut ist die Zeit, wie sich am Drehkreuz Leipzig zeigt. Nach dem Entladen der Fracht aus den Flugzeugen gelangt diese ins Sortierzentrum - einer 400 Meter langen und 100 Meter breiten Halle. Herzstück ist eine 70 Millionen Euro teure Sortieranlage. Mit 2,5 Meter pro Sekunde flitzen die Sendungen über das Band. Riesige Scanner leuchten rot auf und navigieren die Päckchen und Postsäcke über Barcodes auf der Anlage. Innerhalb von Sekunden werden die Daten verarbeitet und weitergegeben. Die Reise eines Päckchen endet bereits nach sieben Minuten. Über große gelbe Rutschen gelangen sie wieder in Container, fertig zum Abtransport in die wartenden Flieger. "Wir verfolgen das Null-Fehler-Prinzip", sagt Hub-Chef Malitzke. Das heißt, keine Sendung darf fehlgeleitet werden.
Vorschläge, wie sie jetzt aus der Politik kommen, Pakete auch ohne konkreten Verdacht per Hand zu öffnen und zu untersuchen, dürften den Luftfracht-Managern den Schweiß auf die Stirn treiben. Denn das Logistiksystem ließe sich kaum aufrecht erhalten. Die Flieger müssten länger am Boden bleiben, die Kosten würden steigen.
Bisher geben sich die DHL-Manager entspannt. "Sicherheit gehört zu unserem Tagesgeschäft", sagt Malitzke. Am DHL Hub in Leipzig habe es zuletzt keine Veränderung bei den Standards gegeben. Und auch Albeck sieht die Branche nicht vor einem Umbruch: "Die Anschläge am 11. September 2001 in New York waren für die Luftfahrt viel einschneidender."
Ein "Weiter so!" halten viele Experten - gerade weil die Bomben aus dem Jemen so ausgefeilt waren - aber für nicht möglich. In Leipzig möchte darüber niemand reden.