1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Linkenparteitag in Staßfurt: Linkenparteitag in Staßfurt: Wulf Gallert verteilt Küsschen und Prügel

Linkenparteitag in Staßfurt Linkenparteitag in Staßfurt: Wulf Gallert verteilt Küsschen und Prügel

Von Kai Gauselmann 12.10.2015, 04:41
Guten Parteifreunden gibt man ein Küsschen: Miteinander gingen die Spitzen-Linken Birke Bull und Wulf Gallert pfleglich um - die politische Konkurrenz wurde aber derbe abgewatscht.
Guten Parteifreunden gibt man ein Küsschen: Miteinander gingen die Spitzen-Linken Birke Bull und Wulf Gallert pfleglich um - die politische Konkurrenz wurde aber derbe abgewatscht. DPA Lizenz

Stassfurt - Auf jedem Platz im Salzland-Center stand ein rotes Papiertütchen mit einem Apfel darin - ein bisschen sah das nach Weihnachtsfeier aus. Aber beim Landesparteitag der Linkspartei in Staßfurt (Salzlandkreis) trat nicht der Nikolaus auf, sondern eher eine Art politischer Knecht Ruprecht: Wulf Gallert hatte keine Geschenke mitgebracht, zumindest für den politischen Gegner gab es am Samstag den Knüppel. So nahm sich Gallert den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) vor: „Wie dumm kann man sein, solche Ängste zu schüren und solche Brandsätze zu setzen?“

Anlass war Haseloffs Forderung, den Mindestlohn für Flüchtlinge auszusetzen. Damit werde Furcht und Neid bei Einheimischen befördert, so Gallert. „Wer solche Vorschläge macht, treibt Pegida und der AfD die Leute zu.“

„Geistige Brandstiftung“

In Staßfurt wurde schnell klar, wie sich die Linke im Landtagswahlkampf präsentieren will: Kampfbereit und regierungsfähig. Wobei die Linke den Zweikampf mit der CDU sucht. Hiebe gab es nur für die Union, für die mitregierende SPD Lob. Das Thema Flüchtlinge könne eine Brücke zu SPD und Grünen sein, um eine „Alternative für Weltoffenheit“ zu bilden, so Gallert. SPD-Chefin Katrin Budde hatte zuvor ihren Koalitionspartner Haseloff für Äußerungen zu einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen kritisiert. Ähnlich scharf ging Linksparteichefin Birke Bull die schwarze Konkurrenz an, der sie in der Flüchtlingsdebatte „geistige Brandstiftung“ vorwarf. Die SPD rief sie zum Seitenwechsel auf: „Liebe Sozis, vielleicht habt Ihr den Mut zum Wechsel - es kann nur besser werden.“

Aber nicht nur in der Flüchtlingsfrage gab es für die CDU Saures. „Die Leute sind unzufrieden mit einer Politik, die seit Jahren vor allem eines kennt: Kürzung und Abbau für das Mantra der schwarzen Null“, sagte Bull. Sie warf der Regierung vor, die wirtschaftliche Lage in Sachsen-Anhalt schön zu reden. „Die vermeintliche Wirtschaftskompetenz der CDU ist eine Legende.“ Mit null Prozent Wirtschaftswachstum sei die Wirtschaftsentwicklung nun „stillgelegt“. Wirtschaftsförderung sei nicht mal eine Frage des Geldes, es müsse nur anders ausgegeben werden. So sei statt traditioneller betrieblicher Einzelförderung wichtiger, das infrastrukturelle Umfeld von Firmen zu verbessern. Auch müsse die naturwissenschaftlich-technische Förderung in Kitas und Schulen besser werden.

Schuldenabbau im Blick

Es soll nicht alles anders werden, aber besser: Das war der Tenor des von den gut 120 Delegierten verabschiedeten Wahlprogramms. Gallert gab dafür Pragmatismus vor: „Manchmal ist erstmal ein Schritt in die richtige Richtung besser als gleich das große Ziel.“ Den pragmatischen Ansatz stützte der Parteitag. Im Wahlprogramm „Ein Land zum Leben. Ein Land zum Bleiben“ steht die Passage: „Auch wir wollen Schulden abbauen - ohne die Zukunft des Landes zu gefährden.“ Das wollte ein Magdeburger Delegierter gestrichen sehen. Begründung: „Wer ein Land gestalten will, sollte nicht bereits im Vorfeld Versprechen abgeben, die er später nicht einhalten kann.“ Das verfing nicht - Gallert sorgte dafür, dass die Delegierten das Bekenntnis zum Schuldenabbau stehen ließen. „Schulden zu machen, stößt bei der Masse unserer Wähler auf Widerstand“, so Gallert.

Mit dem Wahlprogramm wurde unter anderem beschlossen:

Personal: Die Planung im Landesdienst soll sich „am realen Bedarf und nicht an Gutachterkennziffern“ orientieren.

Kommunen: Der Finanzausgleich soll reformiert werden mit einer Bemessung an den Steuereinnahmen des Landes und der Kommunen und einer an Aufgaben orientierten Verbundquote.

Daseinsvorsorge: Der Öffentliche Personennahverkehr in der Fläche soll gesichert und ein kostenloses Schülerticket für die Klassen elf, zwölf und 13 gefördert werden. Der neue Beruf Arztassistent, Landambulatorien und Bereitschaftspraxen an Krankenhäusern sollen die medizinische Versorgung sichern.

Wirtschaft: Vergabe öffentlicher Aufträge nur an Unternehmen mit Lohnuntergrenze von zehn Euro pro Stunde. Neues Programm „Gemeinwohlarbeit“ öffentlich geförderter Beschäftigung soll an Erfahrungen mit Bürgerarbeit anknüpfen.

Bildung: Um Unterrichtsversorgung und inklusive Bildung zu sichern, soll es mindestens 14 300 Vollzeitlehrerstellen geben und mehr Lehrer eingestellt werden als in Rente gehen. (mz)