Udo Lindenberg in der Arena Leipzig Udo Lindenberg in der Arena Leipzig am 14. Mai: Willkommen im Land Udopia

Leipzig - Die Massenbegeisterung am 14. Mai in der Arena Leipzig, drei Tage vor seinem 71. Geburtstag, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Udo Lindenberg grüßt aus dem Rockstar-Himmel. Wer dies verstehen will, muss in die gesellschaftlichen Blutbahnen und ins menschliche Herz reisen. Und sich einmal nüchtern die Schlichtheit seiner Texte vor Augen führen: „Hinterm Horizont geht’s weiter / Ein neuer Tag / Hinterm Horizont immer weiter / Zusammen sind wir stark!“
Was wie eine ungelenke, naive Schülerpoesie schmeckt, sorgt bei Konzerten für eine kollektive Gänsehaut. Willkommen in Udopia. Es ist kein Zufall, dass der Schlagzeuger aus Gronau 2008, während der großen Finanzkrise, mit der Platte „Stark wie Zwei“ eine nie geahnte Renaissance erfahren hat. Der Hype um Udo Lindenberg ist ohne Krisenerfahrungen nicht erklärbar, die Konzerte haben Züge einer religiösen Feier.
Udo Lindenberg in Leipzig: Seine Panik-Familie wird zur letzte Bastion gegen ungezügelte kapitalistische Verhältnisse
Ohne allzu schweißtreibende Systemanalysen kommt Lindenberg geradezu manisch optimistisch daher, seine Panik-Familie, ein großes Wir, wird zur letzte Bastion gegen ungezügelte kapitalistische Verhältnisse. Die Schrecken werden benannt, auf das Happy-End, das dank menschlicher Solidarität erscheinen soll, wird aber nie verzichtet.
Im Song „Wenn du durchhängst“ (2008) heißt es: „Selbst der härteste Scheiß / Geht irgendwann wieder vorbei“. Lindenberg, der dem Tod schon selbst von der Schippe gesprungen ist, verkörpert den erfolgreichen Aufstiegstraum. Bei seinem letzten Leipzig-Konzert versicherte er: „Als ich 15 war, war Schluss mit der Schule. Ich dachte, für ein Rockstar-Leben reicht das. Den Rest kennt ihr aus den Tagesthemen, yeah!“
Udo Lindenberg feiert Kontinuität, die den schnellen Zeiten unveränderliche Substanz entgegenstellt
Je schiffbrüchiger die Odyssee wird, desto mehr Udopium muss in den Venen der Familie zirkulieren. Dabei wird eine Kontinuität gefeiert, die den schnellen Zeiten unveränderliche Substanz entgegenstellt. Der Mythos des unverwüstlichen Ichs wird zur kollektiven Live-Style-Klammer, die Panikfamilie zur trostspendenden Utopie des 21. Jahrhunderts: „Und überhaupt ist alles längst zu spät / Und der Nervenarzt weiß auch nicht mehr wie's weitergeht / Aber sonst ist heute wieder alles klar / Auf der Andrea Doria“. (mz)