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Nach Amazon-Rückzug vom Flughafen Leipzig/Halle Airports Mitteldeutschland: Flughafen Dresden ist das „Sorgenkind“

Der Rückzug von Amazon ist für den Flughafen Leipzig/Halle ein Rückschlag. Warum aber die Probleme am Schwester-Airport an der Elbe viel größer sind.

Von Steffen Höhne Aktualisiert: 02.10.2023, 12:07
Der Flughafen Dresden hatte 2022 rund 842.000 Fluggäste.
Der Flughafen Dresden hatte 2022 rund 842.000 Fluggäste. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Halle/Leipzig/MZ - Amazon ist der größte Online-Händler Deutschlands. Die Nachricht, dass der US-Konzern sein erst vor drei Jahren errichtetes Luftfrachtzentrum am Flughafen Leipzig/Halle aufgibt, sorgte in der vergangenen Woche für hohe Wellen. Der Airport wollte mit Amazon im Frachtgeschäft wachsen, das ist nun vom Tisch.

Manager spricht von „Katastrophe“

Doch trifft der Rückzug den Airport auch finanziell hart? Die „Bild-Zeitung“ schreibt mit Verweis auf einen Mitarbeiter im Management von einer „Katastrophe“. Kreditgeber hätten sogar schon ein „Sanierungsgutachten “ verlangt. Wie brenzlig ist die Situation?

Zunächst muss man das Firmenkonstrukt kennen. Die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden sind Tochterunternehmen der Mitteldeutschen Flughafen AG (MFAG). Durch die Corona-Pandemie hatten beide Flughäfen, wie alle anderen deutschen Airports auch, deutliche Umsatzeinbrüche erlitten. Laut Geschäftsbericht erwirtschaftete der Flughafen Leipzig/Halle im vergangenen Jahr einen Umsatz von 129,7 Millionen Euro, der operative Gewinn lag bei 16,8 Millionen Euro. Das heißt: Im Passagier- und Frachtgeschäft arbeitet der Airport profitabel. Unter dem Strich steht dennoch ein Verlust von mehr als 21 Millionen Euro.

Lesen Sie auch: Milliarden-Projekt: Flughafen Leipzig/Halle will mit DHL eine Raffinerie für grünes Flugbenzin bauen

Wie es zu einer Überschuldung kommen kann

Dieser Verlust beruht auf hohen Abschreibungen, weil der Flughafen in den vergangenen Jahren hohe Investitionen getätigt hatte. Laut Flughafen handelt es sich um einen sogenannten bilanziellen Verlust, der nicht durch die Eigentümer, den Freistaat Sachsen oder Sachsen-Anhalt, ausgeglichen werden muss. Steuerexperten bestätigen das auf MZ-Anfrage. Sie verweisen jedoch darauf, dass es auch zu einer bilanziellen Überschuldung kommen kann, wenn das Vermögen, beispielsweise die Landebahnen, niedriger sind als die Schulden.

Im Geschäftsbericht gibt es darauf jedoch keinerlei Hinweise. Der Flughafen kann aus seinen Einnahmen alle laufenden Kredite bedienen. Die MZ fragte beim Land Sachsen-Anhalt nach, ob Banken Kredite infrage stellen. Die Antwort, die fast wortgleich mit der des Flughafens ist: „Wie andere Unternehmen auch hat die Mitteldeutsche Flughafen AG langfristige Verbindlichkeiten. Dementsprechend führt sie mit Banken regelmäßig tiefergehende Gespräche über die den Krediten zu Grunde liegenden Geschäftsplanungen.“ Zu Details äußere man sich nicht.

Amazon lässt rund 30 Flugzeuge pro Woche in Leipzig/Halle starten und landen.
Amazon lässt rund 30 Flugzeuge pro Woche in Leipzig/Halle starten und landen.
(Foto: IMAGO/Peter Endig)

Amazon lässt dem Vernehmen nach rund 30 Flieger pro Woche am Airport starten und landen. Zum Vergleich: Am DHL-Luftfrachtdrehkreuz fliegen pro Nacht 65 Flieger. Mehr als 90 Prozent des Frachtumschlags in Leipzig/Halle entfällt auf DHL. Dass Amazon ein tiefes Loch in die Bilanz reist, ist unwahrscheinlich.

Erreicht Dresden nie mehr das alte Niveau?

Wie kommt es also zu den Aussagen des Managers bei „Bild“? Diese sind vielleicht mit der Bilanz des Airports Dresden zu erklären. „Das Sorgenkind heißt Dresden“, sagte ein Insider der MZ. Der Dresdner Flughafen hat laut Geschäftsbericht im vergangenen Jahr einen Umsatz von 32,8 Millionen Euro erwirtschaftet. Dabei wurden operative Verluste von acht Millionen Euro erzielt. Das heißt: Dresden verdient aktuell im Passagier- und Frachtgeschäft kein Geld. In der Corona-Pandemie sind auch die innerdeutschen Flugverbindungen weggebrochen, die bisher nur teilweise wieder aufgenommen wurden. Im vergangenen Jahr verbuchte der Airport 841.522 Fluggäste, vor der Pandemie waren es 1,9 Millionen. „Es ist davon auszugehen, dass Dresden auch künftig das alte Niveau nicht mehr erreicht“, so der Insider. Die operativen Verluste des Flughafens muss die MFAG-Holding auch tatsächlich ausgleichen. Vereinfacht gesagt: Leipzig/Halle trägt Dresden aktuell mit. Doch wird das in Zukunft auch noch möglich sein?

Verluste müssten Sachsen und Sachsen-Anhalt ausgleichen

Der Flughafen Leipzig/Halle erwartet in diesem Jahr laut Geschäftsbericht 140 Millionen Euro Umsatz, ein operativer Gewinn wird jedoch nicht mehr erwartet. Die Gründe dafür werden nicht genannt. Durch den Rückzug von Amazon gehen künftig weitere Einnahmen verloren. Wie sich das auf die Bilanz auswirkt, ist unklar. Am Ende müssten die Gesellschafter, allen voran die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt, mögliche Verluste aus dem operativen Geschäft ausgleichen.

Wo kommen die 500 Millionen Euro für den Ausbau her?

Wie will die Airport-Holding aus dieser Situation herauskommen? Das Finanzministerium Sachsen-Anhalt teilt dazu lediglich mit: „Geringeren Einnahmen aus Verkehrserlösen stehen weiterhin steigende Fixkosten bei Betrieb und Unterhalt der Infrastrukturen gegenüber. Das ist eine enorme unternehmerische Herausforderung. Trotz der derzeit herausfordernden Rahmenbedingungen ist Profitabilität ein erklärtes Unternehmensziel.“

Spannend wird auch sein, wie der Flughafen Leipzig/Halle den Ausbau des Airports für 500 Millionen Euro finanzieren will. Um die Zinslast zu bewältigen, müssen mehr Gewinne erzielt werden. Doch dafür müsste das Fracht- und Passagieraufkommen in Leipzig/Halle und Dresden wieder deutlich wachsen. Der Abflug von Amazon geht jedoch genau in die andere Richtung.