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Konzertbericht AC/DC in der Red-Bull-Arena: Rocklegenden boten in Leipzig ein Mega-Spektakel

Von Steffen Könau 02.06.2016, 14:04
Axl Rose von Guns’N Roses überzeugt als Aushilfssänger.
Axl Rose von Guns’N Roses überzeugt als Aushilfssänger. dpa

Leipzig - Er tanzt. Er singt. Er springt sogar. Axl Rose gibt alles an diesem Abend in der Leipziger Red-Bull-Arena. Die Stimme des 54-Jährigen, der eigentlich bei der US-Rockband Guns’N Roses am Mikrofon steht, wegen des Ausfalls des etatmäßigen AC/DC-Sänger Brian Johnson aber gerade für eine Tournee bei den australischen Kollegen aushilft, ist wie immer.

Ein schneidendes Schwert, manchmal Kreide auf einer Schultafel. Rose humpelt und hinkt gelegentlich. Sein linker Fuß, vor ein paar Wochen gebrochen, ist noch immer geschient.

Aber der Rollstuhl - Lehnenaufdruck „Guns’N Roses“ -, mit dem Helfer den gehandicapten Ersatz von Brian Johnson aus dem nahe gelegenen Hotel Fürstenhof in die mit rund 45.000 Fans gefüllte Arena gefahren haben, bleibt in den Katakomben des Stadions.

Oben ist Showtime für die derzeit wohl größte Live-Band der Welt: AC/DC kommen einer 110 Meter breiten und 55 Meter hohen Bühne, mit einem 35 Meter langen Laufsteg, vier riesigen Bildwänden, einer gigantischen Glocke, Konfetti-Haubitzen und zwölf Kanonen.

„Schönes Wetter“, begrüßt Axl Rose das schon nach dem Auftaktsong „Rock or bust“ frenetisch feiernde Publikum, „wir werden euch jetzt etwas Donner bringen.“

Gitarrengott in kurzer Hose

Für den ist bei der 1973 in Sydney gegründeten Band traditionell Gitarrist Angus Young zuständig. Der gebürtige Schotte, der AC/DC bis vor zwei Jahren mit seinem inzwischen an Demenz erkrankten älteren Bruder Malcolm führte, trägt auch in Leipzig wieder Schuluniform mit weißen Socken, Basecap und kurzer Hose.

61 Jahre alt ist das letzte verbliebene Originalmitglied der Gruppe, die seit ihrem 1975er Album „High Voltage“ stoisch eine Musik abseits von Moden, Trends und neuen Einflüssen spielt. AC/DC-Songs, das sind Monster aus drei, vier rhythmisch wiederholten Gitarrenakkorden, wummerndem Bass und Schlagzeug, einer synkopierten Gitarrenmelodie, einem kraftstrotzenden Refrain und viel Lautstärke.

Bon Scott, der 1980 verstorbene Sänger der ersten erfolgreichen AC/DC-Ära, sang Stücke wie „Hell ain’t a bad place to be“ mit einer Stimme wie reißendes Papier, sein Nachfolger Brian Johnson knödelte sie eher tiefer aus dem Bauch.

Axl Rose ist auch in Leipzig eher Scott, des Programm insgesamt eines der frühen Jahre. „High Voltage“ spielen sie, „Rock’n’Roll damnation“ und „If You Want Blood (You’ve Got It)“ - Stücke, die aus einer Zeit stammen, als Hardrock noch etwas für Langhaarige, Kneipengänger und Fortschrittsverweigerer war.

37 Jahre später ist das Publikum ein Querschnitt der Gesellschaft. Junge Frauen, ältere Männer, Familien mit Kindern. Auf der Tribüne sitzt Dieter Birr von den Puhdys, neben ihm Prinz Sebastian Krumbiegel, darüber Sven Wittek und Gilbert Rödiger von Elsterglanz, darunter Pascal Bock und Maximilian Beuster von den Bitterfelder Chartstürmern Goitzsche Front. Auch Mitglieder der Rockband Böhse Onkelz waren vor Ort.

AC/DC ist Kult und Angus Young ist seine Gottheit: Mit Tippelschritten und im Entengang misst der Wahl-Holländer die ausladende Bühne von einer Seite zur anderen ab, wieder und wieder. 1,57 Meter ist der Mann klein, zu seinen ersten Auftritten daheim in Sydney musste er stets von seinen Eltern begleitet werden, weil er als Minderjähriger sonst nicht auf die Bühne gedurft hätte.

Wenn er heute in die Saiten greift, ist Young ein Gigant. Während die aktuelle Besetzung mit Schlagzeuger Chris Slade, dem seit 1977 amtierenden Bassmann Cliff Williams und dem neuen Gitarristen Stevie Young - ein Neffe von Bandgründer Malcolm - im Hintergrund unerschütterlich an einem wuchtigen Fundament aus Gitarrenriffs und Schlagwerk gießt, zelebriert Angus Young vorn seine wilde Show.

Die Finger fliegen beim Triumphgeheul von „Back in Black“ über das Griffbrett, das Basecap fliegt beiseite. Der auf einer einzigen Saite gespielte Gitarrenlauf von „Thunderstruck“ folgt und aus der Arena brüllt ein vieltausendstimmiger Chor der Band das prägnante „Thunder“ entgegen.

Angus Young nestelt sich den Schlips vom Hals, turnt auf dem Laufsteg entlang und streicht mit dem Binder als Bogen über seine Gitarre. Das Haar klebt dem Schwerarbeiter des Hardrock längst platt am Kopf, der Brustkorb pumpt und der winzige Mann im grünen Samt ähnelt eher dem Komiker Otto Waalkes als einem Gitarrengott.

Keine Spur von Ironie

Aber AC/DC meinen es bitterernst. Es gibt keine Spur von Ironie in dieser gigantomanischen Show, die vor einer übermannshohen Wand aus Marshall-Verstärkern vonstatten geht. Jede Zeile, die den Rock’n’Roll rühmt, jedes gegniedelte Gitarrensolo, jeder Feuerblitz, jeder dröhnende Schlag der in Bühnenmitte hängenden Glocke bei „Hells Bells“ ist von unerbittlicher Feierlichkeit: 110 Dezibel atemloser Flirt mit allen Rockmusik-Klischees. Ein Riesenvergnügen.

Bei dem Gaststar Axl Rose seine Rolle als Frontmann mannschaftsdienlicher spielt als es irgendwer für möglich gehalten hätte. Die Diva vergangener Tage, bei Guns’ N Roses dafür bekannt, seine Fans bei Auftritten auch mal zwei, drei Stunden warten zu lassen, ist als Rädchen in der AC/DC-Maschine nicht nur pünktlich, sondern sichtlich darauf bedacht, die großen Angus-Young-Festspiele nicht zu stören.

Rose singt und er singt gut. Doch wenn er nicht dran ist, tritt er bescheiden beiseite, um sich irgendeine neue Klamotte anzuziehen, sich ein Tuch umzubinden oder einen Hut aufzusetzen.

Nach knapp hundert Minuten schweißtreibender Arbeit biegt das Abrisskommando so in die Zielgerade. Noch ein tausendfacher Chor beim Stampfer „T.N.T.“. Noch mal überschäumende Euphorie beim Klassiker „Whole lotta Rosie“. Noch ein ausuferndes Solo von Angus Young.

Danach Vollgas auf den „Highway to Hell“. Konfettiregen, Qualm, eine Feuerwand, gleißendes Licht. Ein letzter Spurt im Entengang und bei „For those about to rock“ schießen dann auch die Kanonen. Donner und Gloria. (mz)

Blitz, Donner und Teufelshörner: AC/DC kennen keine Ironie.
Blitz, Donner und Teufelshörner: AC/DC kennen keine Ironie.
dpa
Angus Young ist der Schwerarbeiter des Hardrock.
Angus Young ist der Schwerarbeiter des Hardrock.
dpa