Leipzig Leipzig: Schwarze Szene beschert der Stadt Millionenumsätze
Leipzig/Jena/ddp. - Andrea steckt mitten inden Vorbereitungen «zum Höhepunkt des Jahres», wie sie sagt. DieStudentin aus Jena ist Anhängerin der «Schwarzen Szene». Wie 20 000andere Grufties aus der ganzen Welt wird sie die Pfingstfeiertage inLeipzig verbringen. Sie alle werden angelockt vom Ruf des 18.Wave-Gotik-Treffens (WGT).
Was kurz nach dem Mauerfall mit etwa 1500 Besuchern in einem Clubbegann, gilt heute als weltweit größtes Szenetreffen. Für die20-jährige Andrea wird es das fünfte WGT in Folge sein. Im Alter von15 Jahren war sie das erste Mal dabei. Damals sei sie von ihrerälteren Schwester mitgenommen worden. Atmosphäre undInternationalität hätten sie gleich in den Bann gezogen, erinnert siesich. «Es ist faszinierend, woher die Leute kommen.»
Aus ganz Europa reisen die Anhänger schwarzer Kleidung unddüsterer Musik an, aus Nord- und Südamerika, aus Australien und ausAsien. «Tausende Gothics kommen einmal im Jahr 'nach Hause' - zumWGT», heißt es in einer Mitteilung der Veranstalter.
Es sei egal, wo man sich gerade in Leipzig aufhalte, sagt Andrea.An den Pfingstfeiertagen käme niemand in Leipzig am Szenetreffenvorbei. Bereits im August vergangenen Jahres hat die Studentin einPensionszimmer reserviert. «Man muss früh damit anfangen, sonstbekommt man nichts mehr.»
Tatsächlich liegt nach Angaben der Stadtverwaltung dieHotelauslastung rund um die Pfingsttage bei 98 Prozent. Das sei seiteinigen Jahren so, sagt Rathaussprecher Steffen Jantz. Leipzigverzeichne an den Feiertagen insbesondere in den Bereichen Hotel,Gastronomie und Kultur Umsätze von etwa 15 Millionen Euro.
Mal sind die internationalen Gäste von einem Umhang à la Draculabemäntelt, mal in eine Korsage geschnürt. Das Gemeinsame: Alle tragenSchwarz und geben damit der Szene ein dunkles Anlitz. Die Leipzigerscheinen sich an die dunklen Pfingsttage gewöhnt zu haben und bleibenfasziniert.
Andrea hat nach eigenem Bekunden noch nie schlechte Erfahrungen inLeipzig gemacht. «Im Gegenteil: Viele Leipziger wollen Fotos von unshaben», sagt die Studentin. Auch sie selbst setze sich während desTreffens an den Straßenrand, «um zu gucken», welche Kleidung dieanderen tragen.
Während in den Anfangsjahren mehrheitlich junge Leute zum WGTströmten, kommen inzwischen ganze Familien zum Szene-Treffen wie auchdie Homanns aus Schkopau bei Halle. Das sind die 13-jährige Viktoria,Vater Guido und Mutter Liane.
Die Tochter höre die gleiche Musik wie die Eltern, trage ebenfallsgerne Schwarz, erzählt die 39-jährige Liane. Beim WGT fühlt sich dieFamilie wohl. «Dort können wir uns ausleben», sagt die Mutter. Inihrer Heimatstadt seien sie wegen ihres schwarzen Erscheinungsbildesoftmals «schrägen Blicken» und Vorurteilen ausgesetzt.
Manch andere Familie reist mit noch jüngeren Kindern an. In denvergangenen Jahren wurden am großen Treffen-Zeltplatz an derehemaligen Landwirtschaftsmesse «agra» Markkleeberg schon Kinderwagenund Buggys gesichtet. Für die kleinen Besucher steht in diesem Jahrauch wieder einiges auf dem Programm.
Unter anderem soll es ein Märchenzelt geben und ein gotischesKinderspektakel mit Kaspertheater und Jonglage-Kurs. Teenie ViktoriaHomann hingegen freut sich neben «Freunde treffen», vor allem aufsEinkaufen: «Ein schwarzes Sommerkleid brauche ich noch», sagt sie.
Shoppingwünsche hat auch Andrea. Sie interessiert sich besondersfür die große «agra»-Messehalle. Diese mutiert jedes Jahr aufs neuezum gigantischen Gruftie-Kaufhaus. Auf den Händlertischen werdenneben schwarzer Kleidung auch Schmuck, Haarteile, Totenkopfattrappensowie Geschirr mit Skelettmotiven zu finden sein.
Zudem wird Literatur und Musik aus der Szene angeboten. Diezahlreichen Bands und Künstler, die auf den etwa 20 WGT-Bühnenstehen, sind für Andrea der eigentliche Grund ihrer Festivalbesuche:«Wo hat man das schon, dass so viele Lieblingsbands kompakt an vierTagen spielen?»