Lehrgänge in Sachsen-Anhalt Lehrgänge in Sachsen-Anhalt: Mit dem Kind zur Freiwilligen Feuerwehr

Biederitz - Ganz aufgeregt winkt Emma-Isabella. Die Dreijährige schaut aus dem Fenster der Kita Wichtelwald in Biederitz, einem Ort im Jerichower Land, direkt vor den Toren von Magdeburg. Draußen - und das erklärt Emmas Freude - hat sie ihre Mutter gesehen. Es ist kurz vor vier Uhr am Nachmittag. Und als Ina Sielaff in den Flur der Kita einbiegt, kommt Emma-Isabella schon auf sie zugestürmt. Das blonde Mädchen springt ihre Mutter an und umarmt sie lange. Dann schaut sie ihr fragend in die Augen: „Gehen wir jetzt wieder zur Feuerwehr?“
In Sachsen-Anhalt gab es 2014 46 600 Brandbekämpfer. Von ihnen sind lediglich 18 Prozent weiblich. Der absolut überwiegende Teil der Aktiven ist ehrenamtlich tätig. Allein knapp 34 000 Mitglieder haben die 1 574 freiwilligen Feuerwehren im Land. Hinzu kommen 12 000 Aktive bei den Jugendfeuerwehren. Beruflich sind 1 400 Menschen in diesem Bereich tätig. Sie arbeiten bei den drei Berufs- und 15 Werks- beziehungsweise Betriebsfeuerwehren. Etwas mehr als 900 Mitglieder sind in den Musikkapellen der Feuerwehr organisiert.
Die Weiterbildung aller Feuerwehrleute im Land findet im Institut für Brandbekämpfung und Katastrophenschutz statt. Es wurde 1938 als Feuerwehrschule der Provinz Sachsen gegründet. Heute ist das Institut nicht nur Ausbildungsstätte, sondern auch Forschungseinrichtung. Für die Innenministerkonferenz der Länder werden hier neue Brandschutzmethoden entwickelt. Besonders stolz ist Direktor Frank Mehr auch auf das Brandhaus, in dem Versuche durchgeführt werden: „Unser Brandhaus ist das zweitgrößte in Europa.“ (Jul)
Die Feuerwehr, das ist das IBK, das Institut für Brand- und Katastrophenschutz Sachsen-Anhalt. Es liegt zwei Kurven und rund drei Autominuten entfernt von der Kita Wichtelwald. Ein großes Areal mit mehreren Gebäuden, die Ausbildungsstätte für alle Feuerwehrleute und Katastrophenschützer im Land. Rund 300 Seminare mit fast 5 000 Teilnehmern finden hier im Jahr statt. Wer in Sachsen-Anhalt etwas über Brand- oder Katastrophenschutz lernen möchte, der kommt ins IBK.
In der Freizeit zur Feuerwehr
Deswegen ist auch Ina Sielaff da. Sie absolviert einen Lehrgang zur Verbandsführerin. Das ist die höchste Leitungsebene bei Großeinsätzen. Eigentlich arbeitet die 37-Jährige bei der Gemeindeverwaltung „An der Finne“ (Burgenlandkreis). Dort ist sie für Tourismus und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Einen Teil ihrer Freizeit verbringt sie bei der Freiwilligen Feuerwehr Bad Bibra.
„Seit ich Mutter bin, sind Feuerwehr-Weiterbildungen eigentlich Tabu für mich“, meint Sielaff. Zwar sei ihr Arbeitgeber sehr verständnisvoll und gebe ihr auch mal eine Woche für einen Lehrgang frei. Jedoch habe der Vater von Emma-Isabella lange Arbeitszeiten. Und auch ihre Eltern seien berufstätig. „Hinzu kommt, dass ich eine Woche ohne Emma gar nicht aushalten würde“, meint Sielaff.
Kooperation zwischen Kita und Gemeinde
Deswegen sei es für sie ein Glücksfall, dass es beim IBK eine Möglichkeit gibt, die längst nicht bei allen öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen gegeben ist: Kinder können einfach mitgebracht werden. „Wir haben dazu einen Kooperationsvertrag mit der Gemeinde Biederitz und der örtlichen Kita geschlossen“, erklärt Frank Mehr. Er ist seit Februar der Direktor des IBK. 43-Jahre alt, Brandoberrat und selber Vater. Ein entschlossener Mann, der die Feuerwehr im Land mit- und vielleicht sogar ein bisschen umgestalten will.
Nur 0,5 Prozent Frauen
Der Brandschutz ist nämlich auch in Sachsen-Anhalt hauptsächlich eine Männer-Domäne. Bei den freiwilligen Feuerwehren ist nur jedes siebte Mitglied eine Frau. Noch deutlicher ist das Ungleichgewicht bei den Berufsfeuerwehren, von denen es in Dessau-Roßlau, Halle und Magdeburg je eine gibt. Dort arbeiten laut Statistik 596 Feuerwehrmänner - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es sind wirklich fast ausschließlich Männer. Von den knapp 600 Mitarbeitern sind lediglich drei weiblich - also nur 0,5 Prozent.
Zahlen, die Frank Mehr kennt und die er auch erklären kann: „Die Feuerwehr hat traditionell wenig Frauen in ihren Reihen und ist auch eine Institution die sich nur langsam wandelt“, meint der IBK-Direktor. Auch Ina Sielaff hat das bereits erlebt. „Bei Einsätzen kam es schon vor, dass mir Männer dazwischengefunkt haben, weil sie mir die Aufgaben nicht zugetraut haben“, sagt sie. Vor allem manche älteren Feuerwehrleute hätten mit Frauen in Führungspositionen noch Probleme. „Bei den Jüngeren ist das aber schon anders“, sagt die 37-Jährige. „Da ist schon ein Wandel zu erkennen.“
Ehrenamt soll attraktiv bleiben
Und wenn es nach Frank Mehr geht, soll der weiter gehen. Der Direktor will seinen Teil dazu beitragen, dass die Feuerwehr familien- und frauenfreundlicher wird. Wer mit Kind einen IBK-Lehrgang absolviert, der bekommt eines der größeren Zimmer im Institut und auch die Verpflegung für den Nachwuchs ist geregelt. „Wir müssen solche Angebote machen, um das Ehrenamt zu stärken und auch künftig attraktiv zu machen“, sagt Mehr. Mitgliederprobleme hat die Feuerwehr Sachsen-Anhalt bei fast 33 000 Aktiven zwar nicht. Nachwuchssorgen gibt es jedoch schon.
„Es ist nicht einfach, junge Menschen für ein langes Engagement zu begeistern“, sagt der IBK-Direktor. Zumal es auf Grund der demografischen Entwicklung immer weniger Menschen gibt, die überhaupt in der Feuerwehr aktiv sein können. „Umso mehr müssen wir allen die Möglichkeit geben, sich bei uns fortzubilden.“
Wenn Kind und Ausbildung kollidieren
Und so sensibilisiert Mehr auch seine Mitarbeiter für das Thema. Das hat auch Ina Sielaff schon mehrfach erlebt. Bei ihrem ersten Lehrgang Ende Oktober durfte Emma-Isabella zum Beispiel für zwei Stunden mit in den Unterricht. Während ihre Mutter Fakten zur Stabsarbeit paukte, malte ihr Tochter fleißig Bilder. Und auch bei diesem Besuch gab es schon die Situation, in der Kind und Ausbildung kollidierten: „Als ich Emma heute morgen in die Kita gebracht habe, wollte sie mich gar nicht gehen lassen“, erzählt Sielaff. Deswegen sei sie zehn Minuten zu spät zum Unterricht gekommen. „Der Lehrer hatte aber dafür volles Verständnis.“
„Urlaub bei der Feuerwehr“
Noch sind Ina und Emma-Isabella Sielaff Exoten am IBK. „Sie sind die Ersten, die das Angebot genutzt haben“, sagt Direktor Frank Mehr. Aber er hofft auf viele Feuerwehrleute, die dem Beispiel folgen. Emma-Isabella zumindest scheint es gefallen zu haben. Die Woche am IBK bezeichnet die Dreijährige als „Urlaub bei der Feuerwehr.“ (mz)
