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Landwirtschaft Landwirtschaft: Keime züchten auf dem Bauernhof

Von HENDRIK KRANERT-RYDZY 18.01.2011, 19:01

WESTERHAUSEN/MZ. - Kurt-Henning Klamroth steht auf seinem Hof in Westerhausen im Harzvorland und schüttelt fassungslos den Kopf: "China. Wieso um alles in der Welt China? Und dann nur 22 Kilogramm?" Klamroth, Pflanzen- und Rinderzüchter sowie Präsident des Deutschen Bauernbundes, stellt sich jene Frage, die wohl auch vielen Verbraucher durch den Kopf geht: Wieso lohnt es sich für hiesige Futtermittelhersteller, nicht mal einen halben Zentner Vitamine aus China liefern zu lassen. "Unter welchen Bedingungen muss da produziert werden, damit sich so etwas rechnet", sinniert Klamroth.

Die Antwort gibt er nicht, doch sie liegt dieser Tage auf der Hand: Weil der Verbraucher es gern möglichst billig hat. Die Konsequenz: Dioxin in Eiern, Antibiotika in Fleisch und Milch. Der jüngste Fall aus Sachsen-Anhalt ist der Fund von eben jener Vitaminmischung, die Spuren des seit 1994 in der Tierzucht verbotenen Antibiotikums Chloramphenicols enthielt. Bis zu jenem Jahr bedienten sich auch deutsche Bauern gern der chemischen Keule aus der Humanmedizin. Dort komme Chloramphenicol nur selten als so genanntes "Reserve-Antibiotikum" zum Einsatz, sagt der Toxikologe Pablo Steinberg von der Tiermedizinischen Hochschule Hannover. Heißt: Erst wenn andere Antibiotika versagen, verabreicht man Chloramphenicol bei schweren bakteriellen Infektionen - etwa Pest, Fleckfieber, Ruhr und Malaria. So soll verhindert werden, dass die Erreger gegen Chloramphenicol resistent werden - dieses also nicht mehr wirkt. Doch das Antibiotikum hat Steinberg zufolge gefährliche Nebenwirkungen - es kann in seltenen Fällen zu extremer Blutarmut und zum Tod führen.

Eine andere Nebenwirkung war früher hingegen erwünscht: Bei Nutztieren wie Schweinen und Rindern verändert Chloramphenicol die Darmflora, sagt der Agrarexperte der Umweltorganisation Greenpeace, Martin Hofstätter: "Das machte man sich in der Mast zunutze, denn bei der Gabe dieses Antibiotikums nahmen die Tiere schneller zu." Der Nachteil: Tiere, die mit Antibiotika gefüttert würden, seien auch Bioreaktoren und produzierten resistente Keime, die auch vor den Bauern nicht Halt machten. "In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Landwirte stark zugenommen, die bereits mit multiresistenten Keimen ins Krankenhaus eingeliefert werden und bei denen Antibiotika kaum noch wirken", sagt Hofstätter.

Der Berufsstand streitet derweil darüber, ob die staatlichen Kontrollen bei Futtermitteln ausreichen. Ja, sagt Bauernbundpräsident Klamroth, nicht die Kontrollen seien das Problem, sondern globalisierte Warenströme. Nein, findet indes der Landesbauernverband, "schon bei vergangenen Futtermittelskandalen wurde versäumt, mit wirksamen Regelungen neuen Zwischenfällen vorzubeugen", so Sprecher Christian Apprecht. Sachsen-Anhalt will Lehren daraus ziehen: Künftig sollen Futtermittelskandale genau so bekämpft werden, wie Tierseuchen, kündigte Agrarstaatssekretär Jürgen Stadelmann (CDU) an.