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Wörlitzer Park Wörlitzer Park: So wurde die Sanierung vom Englischen Sitz finanziert

Von Marcel Duclaud 12.01.2017, 07:00
Frisch restauriert und wieder zugänglich: der Englische Sitz im Wörlitzer Landschaftspark, es handelt sich um den ersten klassizistischen Bau in den Anlagen, errichtet 1765. Thomas Weiß, Direktor der Kulturstiftung (l.) und Adolf Bill von der Gesellschaft der Freunde des Gartenreichs zerschnitten am Mittwoch das rote Band.
Frisch restauriert und wieder zugänglich: der Englische Sitz im Wörlitzer Landschaftspark, es handelt sich um den ersten klassizistischen Bau in den Anlagen, errichtet 1765. Thomas Weiß, Direktor der Kulturstiftung (l.) und Adolf Bill von der Gesellschaft der Freunde des Gartenreichs zerschnitten am Mittwoch das rote Band. Klitzsch

Wörlitz - Der Englische Sitz versteckt sich ein bisschen, übt sich in vornehmer Zurückhaltung. Jene, die den Wörlitzer Park vom Ort aus betreten, übersehen das klassizistische Bauwerk leicht. Es öffnet sich dafür in Richtung See, bildet eine der berühmten Sichtachsen mit dem Nymphaeum.

Das Gartenbauwerk ist klein - und dennoch von außerordentlicher Bedeutung. Der so genannte Englische Sitz rückte jetzt ins Zentrum der Aufmerksamkeit, weil er umfassend saniert worden ist.

Zu Freigabe und Abschluss der Arbeiten luden am Mittwoch die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und die Gesellschaft der Freunde des Gartenreiches in den winterlich weißen, stillen Park ein. Für den scheidenden Direktor Thomas Weiß war es einer seiner letzten Termine. Er sprach von einem „leisen, feinen Gebäude. Es ist schön, wenn man sich so verabschieden kann.“

Englischer Sitz im Wörlitzer Park ist frühes Zeugnis von Klassizismus

Bei dem Englischen Sitz handelt es sich um einen „Startschuss“, wie Annette Scholtka formuliert. Es ist das älteste Bauwerk im Wörlitzer Landschaftspark und gilt darüber hinaus als frühestes Zeugnis des klassizistischen Stils in Deutschland. Fürst Franz von Anhalt-Dessau hatte auf seiner ersten Englandreise 1763 mit seinem Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff den Landschaftspark in Stourhead besucht.

Die Gesellschaft der Freunde des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs unterstützt die Kulturstiftung nach den Worten von Adolf Bill in vielfältiger Weise - der frisch restaurierte Englische Sitz ist da nur eines von zahlreichen Beispielen. Pro Jahr werden rund 30.000 Euro für verschiedene Projekte aufgebracht. Die sind nicht allein durch Mitgliedsbeiträge zu erlösen. „Wir haben deutschlandweit rund 1.200 Mitglieder“, so Bill, darunter potente Sponsoren. Die Gesellschaft ist 1993 gegründet worden, ihr Anliegen ist es, den Erhalt und die Wiederherstellung der Dessau-Wörlitzer Anlagen zu fördern. Beispielhaft ist etwa das Engagement für den Wörlitzer „Eichenkranz“. „Es macht Freude zu sehen, was sich nach und nach verändert und entwickelt hier im Gartenreich“, sagt Bill, Gründungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft. (mz/mac)

Die Männer waren offenbar schwer beeindruckt. Sowohl der Garten als auch der nicht mehr existente „Temple on the Terrace“ dienten als Vorbild für die ersten Schritte auf dem Weg zum Wörlitzer Gartenreich. Der Englische Sitz, in dem Besucher tatsächlich sitzen und die Aussicht genießen können, ist 1765 errichtet worden, ein Jahr später kam das Nymphaeum an die Reihe.

Weiß spricht von einem „ganz anderen ästhetischen Eindruck“ nach der Restaurierung. Das hat wesentlich mit der Farbgebung zu tun, die sich an den Ursprüngen orientiert. Vor Beginn der Arbeiten erfolgte nach den Worten von Annette Scholtka eine akribische Untersuchung - gefahndet wurde nach originalen Putzresten. Die fanden sich an der Zeus-Maske.

Ursprüngliche Farbgebung

Die Analyse ergab, dass die zuletzt sichtbare gelbe Fassung mit weißen Absetzungen nicht den Ursprüngen entsprach. Bei der Entstehung des Gebäudes ist ein heller cremefarbener Ton verwendet worden - weiße Akzente bildeten lediglich die Büsten (Apoll und eine Madonna) sowie die „Antiken“, Gipsreliefs in den Nischen.

Früher sollen das laut Scholtka Originale aus der Antiken-Sammlung des Fürsten gewesen sein. Heute handelt es sich natürlich um Kopien. Sie zeigen übrigens bacchantische Szenen und sollen mal zu Sarkophagen gehört haben.

Aber nicht allein die Farbe ist neu, der Englische Sitz in Wörlitz musste grundlegend instand gesetzt werden. Über das schadhafte Dach und das Fundament war Feuchtigkeit eingedrungen, hatte Dachstuhl, Gesimse und Putz geschädigt.

Das Dach erhielt eine neue Schieferdeckung samt Entwässerung. Und um das Gebäude vor Feuchtigkeit von unten zu schützen, ist eine „Vertikalsperre“ im Fundament eingezogen worden. Der Zementputz ist zudem durch Kalkputz ersetzt worden.

Spendenspaten am Beginn

Möglich gemacht hat die Restaurierung des kleinen, großen Bauwerks eine Initiative der Gesellschaft der Freunde des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches. Die hatte die Idee, 100 limitierte Spendenspaten zum Verkauf anzubieten - anlässlich des 250. Jubiläums des ersten Spatenstiches im Park.

Die Aktion brachte über 4.000 Euro, hinzu kamen eine weitere private Spende eines Unternehmens und zudem 50.000 Euro aus Mitteln der Kulturstiftung. Gut angelegtes Geld, wie Thomas Weiß findet. Zumal es via Auftrag Handwerksbetrieben aus der Region zugute gekommen ist, eine Art „indirekte Wirtschaftsförderung“. Dass die Firmen die Qualität besitzen, die Vorstellungen der Stiftung umzusetzen, sei großartig. (mz)

Annette Scholtka mit alten Ansichten
Annette Scholtka mit alten Ansichten
Klitzsch