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Leichtathletik Wittenberger Sportler lassen sich das Laufen nicht nehmen

Kuriose Situation: Nach der Absage durch den Kreissportbund wird der Neujahrslauf ohne Veranstalter durchgeführt. Andere weichen nach Bergwitz aus.

Von Michael Hübner 10.01.2022, 12:58
In der Lutherstadt Wittenberg hat es trotz offizieller Absage einen sportlichen Jahreswechsel gegeben.
In der Lutherstadt Wittenberg hat es trotz offizieller Absage einen sportlichen Jahreswechsel gegeben. foto: Andreas Hotek

Wittenberg/MZ - Respekt! Wittenberger Läufer mit zivilem Ungehorsam haben den Fehlstart in das neue Jahr verhindert. Dabei haben Politik und Verwaltung wie vor zwölf Monaten sportliche Tristesse angeordnet. Die Turnhalle am Berufsschulzentrum ist trotz Kritik und einem Landratswechsel wieder ein Impfzentrum. Damit verlieren 26 Trainingsgruppen ihre Sportstätte (die MZ berichtete). Zumindest für die Impfwilligen aus den Stadtteilen, die auf einen Bus angewiesen sind, ist die Tour eine sportliche Herausforderung. Die Busse fahren zwar in die Altstadt - das Stadthaus ist zum Beispiel nicht nur für Stadträte leicht erreichbar - aber nicht direkt zum Impfzentrum.

Darüber hinaus hat der Landkreis - auch das ist eine umstrittene Tradition und ein weiterer Beleg für die aktuelle „Breitensportförderung“ in Wittenberg - in den Ferien seine Sportstätten geschlossen. Für die Leichtathleten, die sich auf Titelkämpfe im Januar vorbereiten, ist das ein Wettbewerbsnachteil.

Frustriert reagiert Annaburgs Trainerin Simone Gückel. Für sie sei es absolut nicht nachvollziehbar, warum der Landkreis die Turnhallen über die Ferien für die Vereine schließe. Die Vereine und Sportler würden doch alle Auflagen erfüllen, wenn sie nur wüssten, welche das sind. „Wir testen vor jedem Training und bringen auch alle Geräte mit“, sagt die Übungsleiterin von Grün-Weiß Annaburg und verweist darauf, dass sie nur eine geöffnete Hallentür benötigen würden.

Stadt Jessen rettet Grün-Weiß

„Wir sind sehr dankbar, dass die Stadt Jessen für einen Verein aus Annaburg die Turnhalle zur Verfügung stellt“, sagt sie und fügt hinzu, dass ohne das Training die Teilnahme an den Meisterschaften überhaupt nicht möglich gewesen wäre.

Der Sport hat für solche Fälle einen Interessenvertreter, der sich für die Aktiven gegenüber den vermeintlich Mächtigen in Politik und Verwaltung stark machen sollte. Doch der Kreissportbund hat den eigenen Wittenberger Neujahrslauf abgesagt. „Als Kreissportbund nehmen wir den Verlauf und die aktuellen Erkenntnisse der Corona-Pandemie sehr ernst und sind uns unserer Verantwortung und Vorbildfunktion sehr bewusst. Um die Gesundheit und Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten, haben wir entschieden, den traditionellen Neujahrslauf ein zweites Mal abzusagen“, heißt es in der Begründung. Dabei wird zu „individuellen Läufen Zuhause oder in kleinen Gruppen“ aufgerufen.

Mit den Stichworten Gesundheit und Pandemie kann auch ganz anders argumentiert werden. Sport - und das ist unbestritten - stärkt das Immunsystem. Das soll in diesen Tagen nicht ganz unwichtig sein.

Und so wird die Absage des ersten Events 2022 nicht kommentarlos hingenommen. „Wir sind enttäuscht“, schreibt Bernd Güldner in einem MZ-Leserbrief. Der Abteilungsleiter Leichtathletik beim SV Grün-Weiß Wittenberg-Piesteritz erhält für seine kritischen Worte in der Öffentlichkeit Zustimmung.

„Wir sehen das genauso“, sagt Andreas Hotek. Der Chef der neu gegründeten Interessensgemeinschaft Leichtathletik berichtet der MZ, dass der Neujahrslauf trotz der Absage trotzdem stattgefunden habe - aber eben ohne Veranstalter und Organisator Kreissportbund. Nach Angaben vom Pretzscher Hotek haben sich bei dem individuellen und inoffiziellen Event 35 Sportler das Laufen nicht verbieten lassen.

Auswanderer wider Willens

Andere haben Wittenberg den Rücken gekehrt und ihren sportlichen Jahresauftakt ganz offiziell in Bergwitz absolviert. Einer der prominentesten Auswanderer wider Willens ist Olaf Kurzhals (TSG Wittenberg). Der Läufer hat seine Eindrücke ausführlich in Wort und Bild in den sozialen Medien festgehalten.

Zunächst erinnert er an den 43. Wittenberger Neujahrslauf 2020. „Wird höchste Zeit, dass der Neujahrslauf wieder von Sportlern mit Herz organisiert wird“, schlussfolgert er und schreibt: „Meinen Neujahrslauf verlegte ich an den Bergwitzsee. Dort wird möglich gemacht, was in meiner Heimatstadt nicht funktioniert. Und es war grandios. Nach lockeren acht Kilometern um den See war ein Sprung ins eisige Nass einfach nur prickelnd. Danke lieber Gerd Richter und deinem Shu-Ha-Ri-Sport-Zentrum fürs Machen.“