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Verkehrsunfall bei Listerfehrda Verkehrsunfall bei Listerfehrda: Null Verständnis für Gaffer

Von Thomas Tominski 06.11.2018, 15:06
Zwischen Listerfehrda und Jessen wurde am Freitagmittag eine Frau bei einem Unfall verletzt.
Zwischen Listerfehrda und Jessen wurde am Freitagmittag eine Frau bei einem Unfall verletzt. Tominski

Jessen - „Ich habe mir im Lauf der Jahre einen Schutzschild aufgebaut“, sagt Jessens Wehrleiter Thomas Riedel, der mit seinen Kameraden am Freitag als Erster an der Unglücksstelle gewesen ist. Wenige Minuten zuvor hat sich auf der B 187 ein schwerer Verkehrsunfall ereignet.

Eine Autofahrerin prallt zwischen Listerfehrda und Jessen mit einen Laster zusammen, erleidet schwere Verletzungen und wird per Rettungshubschrauber ins Klinikum Bergmannstrost nach Halle geflogen.

Einsatzleiter Riedel trifft innerhalb von Sekunden Entscheidungen am Fließband. Die Straße in Richtung Jessen muss gesperrt werden, eine sofortige Löschbereitschaft wird hergestellt. „Im Fokus stand die Rettung der schwer verletzten Frau“, so der Wehrleiter, der die Unfallstelle als „Trümmerfeld“ bezeichnet.

Tolle Zusammenarbeit

Rückblickend freut sich Riedel, dass seine Vor-Ort-Strategie aufgegangen ist. Zudem hat die Zusammenarbeit mit den Rettungsdiensten hervorragend funktioniert. „Es ist uns gelungen, die Frau problemlos aus dem Auto zu ziehen. Wir wünschen ihr gute Besserung.“ Der Wehrleiter betont, dass in solchen Minuten alle Kameraden unter großem psychischem Druck stehen.

„Da geht der Adrenalspiegel schon mächtig hoch.“ Für Gefühle bleibt wenig Zeit. Jeder muss seine gestellten Aufgaben professionell durchziehen. Die Gaffer auf dem Deich habe er deshalb erst später bemerkt. Damit jeder Feuerwehrmann die Bilder schnell aus dem Kopf bekommt, werden nach dem Einsatz sofort Gespräche geführt.

In der Gruppe, mit den Kameraden der anderen Wehren. Es gilt die Devise: Nichts in sich reinfressen! Nach 90 Minuten Einsatz sind die Jessener abgerückt. „Ich fange schnell an, einen Schlussstrich zu ziehen“, so Riedel, der diese mentale Stärke auch an seinen Mitstreitern schätzt.

Die Feuerwehr Elster ist ebenfalls am Brennpunkt des Geschehens gewesen. Wehrleiter Marcel Rückert spart nicht mit Kritik. Er findet es unmöglich, dass sich rund um die Unfallstelle sofort Gaffer versammeln. Er habe zwei Rettungskräfte mit einer Plane vor dem Auto postieren müssen, damit die Bergung der Frau nicht zum Zuschauerspektakel avanciert.

Außerdem habe ein Autofahrer versucht, den Weg durch die Unfallstelle zu nehmen. „Darum hat sich die Polizei gekümmert“, sagt er. Der Großteil der Pkw- und Lkw-Fahrer hat sich jedoch vorbildlich verhalten und eine Rettungsgasse freigehalten. Der 53-jährigen Frau aus Halle wünscht Rückert eine baldige Genesung und die schnelle Rückkehr ins normale Leben. Dem Lkw-Fahrer wünscht er ebenfalls alles erdenklich Gute. Er soll die Unfallbilder bald aus dem Kopf bekommen.

Kein Schema F

Der Wehrleiter betont, dass er für Einsätze, bei denen sich Menschen in Lebensgefahr befinden, „kein Schema F“ gibt. Er persönlich geht mit solchen Dingen sehr unterschiedlich um, sucht aber stets das Gespräch mit den Kameraden. Zum Glück sei kein Kind mit im Auto gewesen. Dies sei emotional eine ganz andere Hausnummer.

„Ich hoffe, dass ich nie ein Familienmitglied oder einen anderen Kameraden bergen muss“, sagt der Wehrleiter, der bei diesem Satz auf imaginäres Holz pocht. Rückert erzählt, dass ein junger Feuerwehrmann aus seiner Truppe Berührungsängste bei der Bergung der Frau gehabt hat. „Da ist man als Führungskraft gefragt“, sagt er. Als Tragehilfe zum Hubschrauber ist ein anderer Kamerad eingesprungen.

Der Chef aus Elster hat sich im Nachgang des Einsatzes Zeit genommen, die Geschehnisse mental zu verarbeiten. „Ich musste am Freitag noch zur Nachschicht. Da bin ich mit Arbeit abgelenkt“, so Rückert, der als Sicherheitsingenieur bei SKW Stickstoffwerke Piesteritz im Einsatz ist. (mz)