Tradition in Meltendorf Tradition in Meltendorf: Unterricht in der Osterhasenschule bei jedem Wetter

Meltendorf - Die Stille in der Osterhasenschule dauert nur wenige Sekunden. Dann fährt der nächste Lkw durch Meltendorf und stört lautstark den Unterricht, der selbst bei Schneeregen auf dem Dorfanger stattfindet. „Neu in diesem Jahr“, sagt Sigrid Ströber, die im „Rösenhof“ - das Wohnheim der Heporö gGmbH ist eine soziotherapeutische Einrichtung für Suchtkranke - als stellvertretende Heimleiterin arbeitet, „sind die schrägen Hühner.“
Diese legen die Eier für 27 Hasen (drei befinden sich zusätzlich im Innenhof), damit im Kunstunterricht keine Langeweile aufkommt. Die Osterhasenschule in Meltendorf ist in den vergangenen Jahren ein Publikumsmagnet gewesen. An den Feiertagen sind die Kinder scharenweise über den Platz gelaufen, Eltern haben Fotos für das Familienalbum gemacht oder sich mit den Heimbewohnern unterhalten, die mit für die Aufarbeitung der Puppen zuständig sind.
„In diesem Jahr erwarten wir keinen Massenauflauf“, sagt die stellvertretende Heimleiterin. Aufgrund der Corona-Pandemie sind Jessen und Schweinitz gesperrt, in der Krise haben die Leute andere Sorgen, als nach Meltendorf zu fahren. Andererseits legen Brummifahrer an der Schule einen kurzen Zwischenstopp ein, um die Bilder an ihre Kinder oder Enkel zu posten.
„Wir haben sonst immer Buntstifte und Malhefte rausgelegt sowie Eier versteckt“, so Sigrid Ströber, die in diesem Punkt noch keine finale Entscheidung getroffen hat. Dies hänge vom Wetter und den aktuellen Corona-Bestimmungen ab, die sich bis dahin noch in alle Richtungen ändern können.
Gemeinsame Aufarbeitung
Die Hasen selber, die noch bis zum 19. April auf dem Dorfanger in die Schule gehen, müssen vor jeder Saison - der Start ist 2003 erfolgt - von den Mitarbeitern und Bewohnern des „Rösenhofs“ aufgearbeitet werden. „Sie bestehen in der Hauptsache aus gepresstem Heu. Hände und Füße sind deshalb am meisten betroffen. Bei Wind und Wetter verblassen zudem die Farben“, erklärt die stellvertretende Heimleiterin.
Ein Hase wird in etwa acht Stunden wieder schick gemacht, ab Februar beginnen die Arbeiten. Dazu gehören bei Bedarf auch die Gestaltung von Augen, Nasen und Zähnen. Als Grundgerüst dient ein Holzgestell. Die schrägen Hühner sind auch Pappmaschee gefertigt. Den meisten Schaden verursacht das wechselhafte Wetter in der Zeit vor Ostern. „Von Schnee über Dauerregen bis Wärme ist in den vergangenen Jahren alles dabei gewesen“, erinnert sich Ströber und ergänzt, dass Hasen schon auf Wanderschaft gegangen sind.
Irgendein Besucher muss sie sehr ins Herz geschlossen haben. Für Schäden sorgen auch die Gäste, die für ein gutes Foto die Figuren über das Gelände ziehen. Die stellvertretende Heimleiterin bittet darum, dies prinzipiell zu unterlassen, damit nach den Feiertagen noch alles hübsch aussieht.
Eintritt ist frei
Für den Besuch der Osterhasenschule wird kein Eintritt verlangt. Ein Mitarbeiter sowie Bewohner des „Rösenhofs“ sind vor Ort und beantworten Fragen zum Bau der Puppen sowie zur Einrichtung im Allgemeinen. Parkplätze stehen rund um den Dorfanger zur Verfügung.
Es gibt keine Öffnungszeiten, Fotos sind erlaubt. Die Infektionsschutzrechtliche Allgemeinverfügung des Landkreises Wittenberg zum Schutz beziehungsweise der Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus in den Ortsteilen Jessen und Schweinitz gilt zwar aktuell nur bis zum 10. April, doch im digitalen Zeitalter müssen wie erwähnt Kinder aus beiden Orten nicht auf Hasenbilder verzichten. Diese machen bestimmt bald in den sozialen Netzwerken oder familiären Chatgruppen die Runde.
Die Sachen der Schüler mit den langen Ohren sind übrigens mit Kindergrößen versehen. Diese stammen laut Ströber entweder aus einem Second-Hand-Geschäft oder sind Spenden. Da die Hasen gern trockene Sachen tragen, freuen sie die Mitarbeiter über Kleiderspenden (Kindersachen). Haben die Osterhasen eigentlich Namen. „Nein“, sagt die stellvertretende Heimleiterin, „noch nicht einmal der Lehrer, der streng in die Runde blickt.“
Die Hasenschule liegt im Ort direkt an der Landstraße 127 und ist aufgrund ihrer Präsenz leicht zu finden. Egal, ob man mit dem Auto aus Richtung Elster oder Seyda kommt. Ob Hasen Ostern Ferien haben ist nicht bekannt.
Individuelle Zielstellungen
Das Wohnheim in Meltendorf entstand aus einem rekonstruierten Bauerngehöft und wurde im Mai 2002 eröffnet. Der „Rösenhof“ ist eine therapeutische Einrichtung, die ihr Angebot an chronisch mehrfach geschädigte alkoholabhängige Frauen und Männer richtet. Auf Grund der unterschiedlichen Schädigungen in Folge des Alkoholmissbrauchs ist die individuelle Zielstellung gestaffelt. Es gibt einer 18-monatige Therapie. Der überwiegende Teil ist auf „Langzeit“ ausgerichtet.
Des Weiteren gibt es ein Übergangswohnheim in Zemnick. Ziel der Therapie ist es, in einem mindestens 18-monatigen Aufenthalt die Bewohner zu einem bewusst abstinenten Leben zu führen. (mz)


