Tradition in Coswig Tradition in Coswig: Was ist eigentlich ein Eiback?

Coswig - Drei Dörfer, drei Pfingstgelage, eine Speise, die sie alle eint: Eiback. In Ragösen, Jeber-Bergfrieden und Serno wird das klassische Rührei zu Pfingsten zum Spezialgericht, für das stets das ganze Dorf sorgt.
Die Zutaten werden zusammengezempert, also von Tür zu Tür gesammelt. Bei der Zubereitung unterscheidet sich diese traditionelle Mahlzeit am Pfingstsonntag dann aber doch, auch wenn die drei Dörfer jeweils nur wenige Kilometer auseinander liegen.
Nachwuchs wir eingeweiht
In Ragösen geht es in der Küche des Rosenhofes traditionell zu. Einen Teil von Herd und Arbeitsplatte haben vier Frauen des Kultur- und Heimatvereins übernommen. Eine schneidet Speck, die andere Bratwurst und Annett Kapp schlägt Eier auf. Viele Eier. Gerade wurden 430 geliefert.
„Die sind aus dem unteren Dorf“, sagt Veronika Pohl, die seit über 20 Jahren an jedem Pfingstsonntag bei der Eiback-Zubereitung dabei ist. Gelernt hat sie es einst von den älteren Frauen des Dorfes und nun weiht sie den Nachwuchs in die Eiback-Geheimnisse ein. Jennifer hat in diesem Jahr Premiere in der Küche und schneidet Wurst.
Veronika Pohl stellt sich bald an zwei normale Pfannen und fängt mit der Braterei an. Wie sie findet, die beste Methode für gutes Eiback, wenngleich etwas mühsamer als in den Nachbarorten. „800 Eier werden es“, ist Veronika Pohl sicher. Am Ende werden also um die 500 Portionen über den Tisch gehen und im Rosenhof serviert, wo sich nach dem Zempern das Dorf zum Eieressen trifft. Gegen 10 Uhr hat der Kremser mit Blasmusikanten ganz Ragösen schon abgegrast, so dass erste Zwischenlieferungen an Zutaten ins Gasthaus gehen.
Mit Blasmusik nach Krakau
Nun ist der Nachbarort Krakau dran. „Da fahren wir immer vorbei“, sagt Hans-Dieter Würzberger, Vorsitzender des Vereins. Mit seinen Männern ist er seit halb neun auf den Beinen, um Eier und Co. einzutreiben.
„Vorher bekommt jeder sein Ständchen“, erzählt der 67-Jährige, und nur wer tatsächlich nicht da ist, macht auch nicht auf. Für die Spender gibt es einen Schnaps. „Für uns nicht, dann wären wir ja schnell erledigt“, lacht Würzberger, der so Pi mal Daumen schätzt, dass es diese Tradition seit mindestens 100 Jahren im Dorf gibt.
Hinzugekommen sind lediglich in jüngster Zeit die Preiswettbewerbe des Nachmittags mit Bierglasschießen und Büchsenwerfen nebst der Musik für den fröhlichen Ausklang.
Nebenan in Jeber-Bergfrieden wird nicht nur fürs Eiergericht gesammelt, sondern auch noch einmal für den Nachmittag. „Dann wird der Kuchen geholt“, erzählt Thomas Ralph vom Förderverein der Feuerwehr des Ortes.
Deren Stützpunkt ist der Austragungsort des Pfingstgelages von Jeber-Bergfrieden. Am Vormittag ist auch dort der Kremser noch unterwegs. Ralph geht von 1000 Eiern aus, die hier in der Gulaschkanone final vermengt werden.
Der Kuchen, gebacken von den Frauen des Dorfes, sei dann als Begleitung für das Nachmittagsprogramm gedacht, wenn vor allem für die Senioren die Kinder der Kita und Grundschule ein kleines Programm zeigen und sich danach auf der Hopseburg oder an der Wasserspritze austoben können.
In Serno ist hingegen erst am Nachmittag mit dem Eiback zu rechnen. Zur Mittagszeit ist gerade mal die Hälfte des Ortes geschafft. Mehr als 100 Häuser muss der Kremser mit den Roßlauer Blasmusikanten anfahren, und das geht auch nicht schneller, wenn man „Biene Maja“ im doppelten Tempo spielt.
Seitdem die Fuhre hier morgens losrollte, hat sich die Begleitung vervielfacht, denn wo bereits geklingelt wurde, schließen sich die Leute dem Zug an und das zudem kostümiert. So laufen Pfingstsonntag ein Römer, Cowboys, Hippie-Damen und Männer als Elfen über die Dorfstraße.
Klinik gibt Sonderausgang
Im Dorfgemeinschaftshaus muss Hans Hörnicke deshalb noch einige Zeit warten, bis sich hier das Dorf einfindet. Der 81-Jährige hat seine Krücken neben sich gestellt und ruft in die Küche, dass man die Milch am Eiback nicht vergessen solle, denn „dann wird es nicht so trocken“.
Der alte Herr hat mit den Jahren so einige Eierportionen an Pfingstsonntagen verdrückt und kennt sich aus. In diesem Jahr hätte ihm ein Oberschenkelhalsbruch fast das Pfingstgelage vermasselt. Vom Krankenhaus gab es jedoch Sonderausgang für den Sernoer.
„Das lasse ich mir doch nicht nehmen“, meint er mit feuchten Augen. Schließlich habe er noch kein Pfingstgelage verpasst. Damit steht dann auch fest, dass es diese Tradition in Serno genauso lange gibt, wie in den anderen beiden Orten. „Schon beim Kaiser“, ist Hörnicke sicher.
Weniger Hühner
Ortsbürgermeister Peter Nössler schaut unterdessen in der Küche vorbei. Da steht in diesem Jahr eine reine Männermannschaft und hat bereits Zwiebeln geschält und Petersilie gehackt, als der erste Bollerwagen mit den Eiern eintrifft.
Serno hat sich nach dem Ende der praktischen Kipppfanne für die Zubereitung in einem großen Blech überm Gaskocher entschieden. Der Dorfchef rät diesmal zur Ausreichung von kleineren Portionen, denn er hat das Gefühl, dass die Eierzahl des Vorjahres - es waren 750 – nicht erreicht wird. Vom Rekord mit 1500 Eiern könne man aktuell nur noch träumen, weil die Leute viel weniger Hühner halten.
Was diese Pfingsttradition im Coswiger Drei-Dörfer-Eck übrigens bedeutet, versucht Frank Hennig zu erklären. Der Sernoer Ortswehrleiter sitzt rastend vorm eigenen Haus, der ersten Tür, an der die Zempergesellschaft am Morgen läutete.
Beim Bier verschnauft seine Familie, um die zweite Dorfhälfte in den Angriff zu nehmen. Hennig meint, das Pfingstgelage sei ein Dank für die Hirten gewesen, die das Vieh auf die Weide getrieben hatten. Eiback schmeckt jedenfalls auch, wenn man keine Herde zu betreuen hat. (mz)
