Serie Serie: Träume gehen in Erfüllung
WITTENBERG/MZ. - Die Olympischen Spiele 1936 sind Geschichte. Wittenbergs Meistertrainer Arthur Lambert hatte es geschafft, mit den Läufern Max Syring, Walter Schönrock, Karl-Heinz Becker, Werner Böttcher, Ewald Mertens und Speerwerfer Gottfried Weihmann sechs Leichtathleten an die Startlinie zu bringen. Im sechsten Teil der Reihe wird die Zeit nach dem Jahreshöhepunkt beleuchtet.
Neue Herausforderungen
Doch vorher ein Blick zurück auf die Berliner Wettkämpfe. Dort reiften nicht alle Blütenträume. Vermeintliche Medaillenaspiranten, allen voran Langstreckler Max Syring, der bereits 1932 in Los Angeles dabei war, erfüllten nicht die in sie gesetzten Hoffnungen. Lediglich Werner Böttcher überzeugte mit Rang zwölf über 1 500 Meter. Bis zur Schlussrunde konnte er mit Olympiasieger John Lovelock aus Neuseeland mithalten. Für Trainer Arthur Lambert gab es dennoch kein Resignieren. Es warteten bereits neue Herausforderungen.
Deutscher Rekord
Einen Monat (19. September) nach Olympia zeigten die Wittenberger auf dem heimischen Sportplatz an der Wallstraße, dass man künftig mit ihnen rechnen kann. Max Syring hatte das Olympiapech (Darminfektion) schnell abgehakt und lief im Alleingang einen phantastischen deutschen Rekord über 5 000 Meter. Nach 14:46,6 Minuten spurtete er über die Ziellinie. Er deklassierte den 10 000-Meter-Spezialisten Walter Schönrock (15:09 min) und Paul Rakowiak (15:55 min). Mitstreiter Karl-Heinz Becker glänzte über 1 500 Meter (3:57,2 min) und Ewald Mertens, angetrieben vom zahlreich erschienenen Wittenberger Publikum, lief motiviert über 800 Meter phantastische 1:55,9 Minuten. Für damalige Verhältnisse eine glänzende Zeit. Dann gab es im Olympiajahr noch den deutschen Meistertitel in der Wittenberger Galadisziplin viermal 1 500 Meter. Am Start waren Max Syring, Karl-Heinz Becker, Ewald Mertens und Werner Böttcher. Die Rehabilitierung nach Berlin 1936, hier blieben seine Sportler ohne Medaille, konnte aus Sicht Lamberts als gelungen bezeichnet werden.
Schnelle Staffel
Wie ging es weiter mit den Wittenberger "Laufmusketieren"? Da waren die Deutschen Meisterschaften 1937 in Berlin und die Europameisterschaften 1938 in Paris. In Berlin enttäuschten die lokalen Helden keineswegs. Ewald Mertens wurde Vizemeister hinter Weltrekordler Rudolf Harbig über 800 Meter. Walter Schönrock errang sogar den deutschen Meistertitel über zehn Kilometer. Nicht zu vergessen ist die sieggewohnte viermal 1 500-Meter-Staffel, die der versammelten Konkurrenz davonlief. Kontinuierlich baute Lambert als "Lehrwart für Langstreckenlauf", wie seine offizielle Bezeichnung lautete, seine Schützlinge für die Europameisterschaften in Paris auf. Für Syring formulierte er in einem Trainingsbrief vom 10. Juni 1938: "Ich erwähnte, dass Syring ab Januar bis 15. Mai, wie bereits geschildert, ununterbrochen gearbeitet hat, um dann 14 Tage zu pausieren. Inzwischen hat Syring das Training wieder aufgenommen und auf die Sommerarbeit umgeschaltet. Trotz der erwähnten besten Unterbauung geht Syring nur zweimal in der Woche auf Schnelligkeit. An den anderen Tagen pflegt er die Ausdauer durch Gehen, Laufen, aber zügiger als im Winter."
Erste Medaille
So gestalteten sich auch die Wettkämpfe im Vorfeld der Europameisterschaften, bei denen auch mal die "Unterdistanzen" von 800 und 1 500 Meter gelaufen wurden. An Länderkämpfen im Juni 1938 gegen Frankreich in Paris und im Juli 1938 gegen Polen in Königsberg nahm neben Syring auch Werner Böttcher teil. Letzterer belegte jeweils Rang drei. Es war jenes Jahr, in dem der große Auftritt von Max Syring erfolgte. Bei der EM 1938 in Paris lieferte der zu diesem Zeitpunkt international noch medaillenlose Wittenberger sein Meisterstück über 10 000 Meter ab. Erst auf der Zielgeraden der 25-Runden-Hatz entschied sich das Rennen. Die Zuschauer erlebten einen dramatischen Dreikampf, an dessen Drehbuch Syring, in aussichtsreicher Position laufend, entscheidend mitschrieb. In einem echten Langlaufkrimi gewann Ilmari Salminen (Finnland) nach einem grandiosen Finish (30:52 min) vor Giuseppe Beviacqua (Italien, 30:53,2 min) und Max Syring (30:57,8 min). In Wittenberg feierte man Syring überschwänglich. Im Zenit seiner Karriere stehend, plante er zusammen mit Lambert, dieser noch ein Erfolgskapitel hinzuzufügen. Der Gewinn der ersten Olympiamedaille 1940 in Helsinki lag in Reichweite. Fortsetzung folgt