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Schülerverkehr im Landkreis Wittenberg Schülerverkehr im Landkreis Wittenberg: Müde Kinder, volle Busse

Von Julius Jasper Topp 15.03.2019, 10:42
Seit den Winterferien ist der Fahrplan umgestellt. Rund 470.000 Euro gibt der Kreis nun mehr aus - und sieht sich mit Beschwerden konfrontiert.
Seit den Winterferien ist der Fahrplan umgestellt. Rund 470.000 Euro gibt der Kreis nun mehr aus - und sieht sich mit Beschwerden konfrontiert. Klitzsch

Wittenberg - Nach wie vor versucht der Kreis, die Beschwerden von Eltern abzuarbeiten, die mit der Umstellung des Schulbusbetriebes nach den Winterferien unzufrieden sind. Bei einer Diskussion zwischen Betroffenen, Verwaltungs- und Kreistagsmitgliedern im Verkehrsausschuss am Mittwochabend wurden erneut Problemfälle herausgestellt.

Die Eltern bemängelten lange Wartezeiten, knappe Umsteigezeiten, zu volle Busse mit zu wenigen Sitzplätzen und übermüdete Kinder. Viele beschrieben, dass ihr Nachwuchs teils noch vor 5 Uhr morgens aufstehen müsse und dann erst nach 16 Uhr wieder zu Hause sei. Einem Hobby, so ein Vater aus Bad Schmiedeberg, könne sein Kind nun nicht mehr nachgehen. Schließlich seien auch noch Hausaufgaben zu erledigen.

Wenig Platz in den Bussen

Ein Vater aus Bergwitz kritisierte die allmorgendliche Situation am Wittenberger Bahnhof, wo sich an einem Knotenpunkt alle Busse treffen und das Umsteigen ermöglichen. Dort drängten sich zu viele Kinder in die Busse, viele könnten sich kaum festhalten und müssten im Gang stehen. Andere Eltern fügten an, dass die Busfahrer nicht gerade gemächlich fahren würden, um die knappen Anschlusszeiten einzuhalten. Laut Verwaltung dürfen die Nahverkehrsbusse höchstens 60 Kilometer pro Stunde fahren und 40 Prozent der Stehplätze genutzt werden.

Christian Tylsch, stellvertretender Ausschussvorsitzender und CDU-Fraktionschef, wies die Verwaltung an, das Problem überfüllter Busse zu überprüfen. Wenn nötig habe der Anbieter größere Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen.

An der Umstellung der Busfahrpläne hat die Kreisverwaltung mehr als ein Jahr gearbeitet. Anliegen war es, die Fahrzeiten der Schüler zu verkürzen - Grundschüler sollten nicht länger als 30 Minuten, ältere Schüler nicht länger als 45 Minuten unterwegs sein. Dafür wurden die Zeiten von Unterrichtsbeginn und damit auch -ende der Schulen auf den einzelnen Linien gestaffelt.

Die Änderung sollte schon nach den Sommerferien in Kraft treten, die Pläne mussten aber auf heftigen Protest der Schulleiter hin nochmals überarbeitet werden. Nun gelten die neuen Fahrpläne seit dem 18.  Februar.

Hauptkritikpunkt von Eltern und Schulleitung in Annaburg ist, dass die Schüler jetzt nach der sechsten Stunde 75 Minuten warten müssen, bis die Busse fahren. Bis zu 90 Schüler müssen an einzelnen Tagen in dieser Zeit im Schulhaus beaufsichtigt werden. Die beiden Busse, die nach 13 Uhr ab Annaburg fahren, sind auf Unterrichtsende und Einzugsbereich der Grundschule abgestimmt. Sekundarschüler, die über die Grenzen des Einzugsbereiches hinaus müssen, können die Busse nicht nutzen. Dabei fahren diese leer zurück nach Jessen. Auch die auswärtigen Gymnasiasten in Jessen haben bedingt durch Wartezeiten deutlich längere Tage.

Zählungen hätten bislang keine übervollen Busse ergeben, sagt der Fachdienstleiter für Ordnung und Straßenverkehr, Holger Zubke. Das Problem sei oft, dass sich Schüler nicht hinsetzen, stattdessen aber ihre Taschen auf die Sitze stellten.

Und: Wenn der Fahrer tatsächlich schneller als erlaubt unterwegs sei, sollten die Eltern das dem Kreis melden. „Wir können jederzeit die elektronischen Fahrtenschreiber auslesen“, sagte der Fachdienstleiter.

Handlungsbedarf bei den Fahrplänen sieht Zubke vor allem in Annaburg und Jessen. In allen Fällen habe es bei der Planung zuvor Gespräche mit den Schulleitungen gegeben. Oft sei aber seitens der Schulen nicht bedacht worden, dass der Nachmittagsunterricht nicht für alle Schüler anfalle. Sprich: Schüler, die die Ganztagesangebote nach der sechsten Stunde nicht nutzen und in entlegene Gegenden fahren wollen, müssen teils lange auf den nächsten Bus warten.

Ende März sei mit der Annaburger Schulleiterin aber ein Gespräch anberaumt, in dem der Schulbusverkehr dort neu geregelt werde. Die Änderungen, so Zubke zu den zahlreich im Ausschuss erschienenen Eltern, seien aber erst zum neuen Schuljahr zu erwarten. Die Umstellungen seien zu komplex, um auf eine schnelle Lösung hoffen zu können. „Die Änderungen betreffen dann auch den Fahrplan anderer Schulen“, sagte Zubke.

In Jessen gebe es insbesondere Probleme bei Schülern, die das dortige Gymnasium besuchen, aber aus Zahna-Elster kommen. Hier werde ab Montag die Linie verlängert. Der Bus, der sonst von Elster abfährt, fährt nun ab Jessen über Elster und von dort aus nach Mühlanger und zu den einzelnen Stationen. Die Schüler, die für diese Strecke bereits ein Bahnticket gelöst hätten, könnten es sich beim Kreis erstatten lassen.

Das sei aber eine Zwischenlösung, sagte Zubke. Eine endgültige Variante sei nur mit einer Umstellung der Schulorganisation möglich. „Wenn alle Schulen im Kreis einheitlich nach der sechsten und der achten Stunde Schulschluss hätten, ließe sich der Schulverkehr wesentlich besser organisieren“, sagt der Verkehrsexperte des Landkreises.

Reiner Schülerverkehr

Dennoch: „Jedes individuelle Problem können wir nicht berücksichtigen“, sagte Zubke den Eltern im Verkehrsausschuss. 4500 bis 5000 Schüler müssten jeden morgen zu ihren Schulstandorten - und das bei freier Schulwahl für Gymnasien.

Die Eltern regten an, wieder über einen reinen Schülerverkehr nachzudenken. Bislang mischt der Kreis den öffentlichen Nahverkehr und die Schülerbeförderung - als „integrierter Schülerverkehr“ wird das bezeichnet.

CDU-Fraktionschef Tylsch sieht das nicht als Option. Wenn der Landkreis dies im Alleingang beschließen würde - also ohne das Land - müsse man dies auch im Alleingang bezahlen. Deswegen schlägt er einem Vater vor: „Wenden Sie sich an ihre Landtagsabgeordneten.“

„Wir geben Hunderte Millionen Euro für die NordLB aus aber meine Tochter wird krank, weil sie zu wenig Schlaf bekommt“, sagt eine Mutter in Richtung der Kreistagsmitglieder. „Setzen Sie sich bitte in Magdeburg für uns ein.“

(mz)