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Schulbusverkehr bei Annaburg Schulbusverkehr bei Annaburg: Schüler in der Warteschleife

Von Sven Gückel 11.03.2019, 14:05
Der Elternrat der Annaburger Sekundarschule fordert deutlich Änderungen im Busfahrplan.
Der Elternrat der Annaburger Sekundarschule fordert deutlich Änderungen im Busfahrplan. Sven Gückel

Annaburg - Das Unverständnis ist groß. Seit der Landkreis Wittenberg im Februar die Abfahrzeiten im Schulbusverkehr neu geregelt hat, benötigen Annaburger Sekundarschüler mitunter doppelt solange für den Heimweg. Die Mitglieder des Schulelternrates wollen sich mit diesem Tatbestand nicht zufrieden geben.

Verpasste Anschlussbusse

Alles war geregelt, alles hat funktioniert. Wenn für die Schüler der Sekundarschule Annaburg das Klingelzeichen die letzte Unterrichtsstunde des Tages beendete, stand einem schnellen Heimweg nichts mehr im Weg. Zumindest war das bis zum 17. Februar dieses Jahres so. Tags darauf galt ein neuer, vom Landkreis organisierter Fahrplan.

Statt wie üblich nach der sechsten Stunde in den Bus steigen zu dürfen, müssen die Kinder und Jugendlichen jetzt mindestens bis zur siebten Stunde auf die Busbeförderung warten. Eine durch den Schulelternrat durchgeführte Umfrage ergab, dass so montags 19, dienstags 54, mittwochs 62, donnerstags 93 und freitags 66 Schüler zu einer langen Zwangspause verpflichtet werden.

Nicht nur für Schüler brachte die Fahrplanänderung Verschlechterungen. Gestrichen wurde die Anrufbusverbindung zwischen Prettin und dem Bahnhof Holzdorf, das zum Ärger von Pendlern nach Berlin sowie auch Prettiner Einwohnern, die zu Fachärzten in der Hauptstadt fahren. Auch Künstler, die in Prettin ihren Sommersitz haben, sind mit dem Anrufbus von und zum Bahnhof Holzdorf immer gut gefahren.

„Wir erhoffen uns vom Ausbau des Bundeswehrstandortes Holzdorf Zuzüge. Die werden ausbleiben, wenn Prettin so abgehängt wird“, sagt Helga Welz, Stadträtin in Annaburg (Feuerwehr und Bürgerwohl). Laut Klaus-Rüdiger Neubauer (parteilos), Bürgermeister der Stadt Annaburg, ist die schlechte Verkehrsinfrastruktur das größte Hemmnis für die Entwicklung der Stadt und ihrer Ortsteile.

Verantwortlich für den Öffentlichen Personennahverkehr ist der Landkreis. Er ist zugleich Genehmigungsbehörde für die Buslinien. Von der MZ um eine Stellungnahme zum Wegfall des genannten Anrufbusangebotes gebeten, sagte Kreis-Sprecher Ronald Gauert: „Das steht mit auf der Liste der Nachbesserungen.“

„Mit dem angeblichen Ziel, die Fahrzeiten zu verkürzen, hat man den Schultag jetzt unnötig verlängert. Keines der auswärtigen Kinder, die in der Sekundarschule Annaburg beschult werden, ist vor 15.30 Uhr in seinem Heimatort“, fasst Elternratsvorsitzender André Mietzsch die Fakten zusammen.

Besonders hart trifft das vor allem jene Schüler, die zwischendurch noch umsteigen müssen. Es sei kein seltener Fall, dass die Anschlussbusse bereits abgefahren sind, so Mietzsch. Zudem habe der Landkreis teilweise neue Haltepunkte festgelegt. „Sowohl in Linda, als auch in Holzdorf und zwischen Annaburg und Schweinitz befinden sie sich allesamt an vielbefahrenen Straßen. Von einer Unterstellmöglichkeit bei schlechtem Wetter ganz zu schweigen“, kritisierte er. „Es gibt einzelne Strecken, da fahren die Busse früher ab, als es im Fahrplan steht“, ergänzte Daniela Höcke aus Prettin mit den Erfahrungen ihres Kindes.

Man habe den Eindruck, so der Tenor der Runde, dass der Fahrplan im Internet berechnet worden sei. „Busfahrer haben inzwischen bestätigt, dass die Strecke zwischen den einzelnen Ortschaften in der vorgegebenen Zeit gar nicht zu schaffen sei“, betonte Melanie Witte aus Reicho.

Überfüllte Busse, schlechte Kennzeichnung der einzelnen Linien an den Fahrzeugen sowie das Nichteinhalten der Abfahrzeiten ärgern Schüler wie Eltern gleichermaßen. Auch die Lehrerschaft ist von diesem Verkehrschaos betroffen. Denn nach wie vor obliegt der Schule die Aufsichtspflicht. Um die Menge der Jugendlichen bis zum Einstig in den Bus beaufsichtigen zu können, werden sie auf das Hausaufgabenzimmer, den Freizeitbereich und den Schulhof verteilt.

Zwar unterstützt der Jessener Wir e.V. mit Kreativangeboten die Schule, doch der, betont Pädagogin Heike Günther, dürfe die rechtlichen Aufgaben der Schulaufsicht nicht wahrnehmen.

Wenn die Schüler am Nachmittag endlich ihr Zuhause erreicht haben, bleibt kaum noch Zeit zur Erholung. Viele der Kinder sind in regionalen Vereinen organisiert, für die sie abermals fahren oder gebracht werden müssen. Darüber hinaus müsse man sich darüber im Klaren sein, ergänzt Heike Günthers Kollegin Karin Sahr, dass „man in der Schule vielleicht einen Teil der Hausaufgaben machen kann, das eigentliche Lernen geht aber nur bei entsprechender Ruhe“.

„Unsere Kinder haben so wie jeder andere Erwachsene auch eine 35-Stunden-Arbeitswoche. Zuzüglich der Lernzeit im Elternhaus“, gab Melanie Witte zu bedenken.

Einig sind sich die anwesenden zwölf Elternvertreter der Schule in der Überzeugung, dass die angebliche Maßnahme für mehr Effizienz nur eine versteckte Sparmaßnahme zu Lasten der Kinder sei. In einem gemeinsam verfassten Brief fordern sie daher die Rücknahme der Fahrplanänderung hin zum vorherigen, bewährten Modell. „Kein Kind darf länger als 30 bis 45 Minuten im Bus unterwegs sein“, hob Mietzsch noch einmal hervor.

Leerfahrten nach Jessen

Mit Kopfschütteln nehmen die Eltern darüber hinaus zur Kenntnis, dass die Grundschule des Ortes nach wie vor nach der sechsten Stunde angefahren wird. Allerdings ist der Einzugsbereich der Grundschule deutlich kleiner. Sekundarschüler, die die Busse nutzen, werden nur bis den Endpunkten der Kleinen mitgenommen. „Anschließend fahren die Busse dann genau über jene Orte, in die die Schüler wollen, nach Jessen. Allerdings leer. Das kann kein Mensch verstehen“, fasst André Mietzsch kopfschüttelnd zusammen.

(mz)