Sauerkrautfest Sauerkrautfest: Nach alter Rezeptur

Radis - Wusch, macht die Klinge. Wusch. Fünf bis zehn Mal muss das Blatt kreisen, dann liegt das Viertel Weißkohlkopf in Stücken in der Wanne. „Voriges Jahr haben wir noch mit der Hand gehobelt“, sagt Walter Bachmann. Und präsentiert in diesem Jahr einen Sauerkrautschneider in Funktion.
Etwas Passenderes kann es zum Sauerkrautfest auf dem Radiser Gutshof, ausgerichtet vom Heimatverein, kaum geben. Die handbetriebene „Maschine“ ist ein Unikat, „wahrscheinlich im Krieg gebaut“, vermutet Bachmann. Denn die Klingen sind an der Scheibe mit handgefertigten Schrauben befestigt, „siebener Vierkantstahl abgesägt, Gewinde drauf und Schlitz rein“. Der Rahmen ist neu.
„Der Schneider stand bei uns auf dem Boden, das Holz war von Würmern zerfressen“, erzählt Simone Kralle, Leihgeberin des Krautschneiders. Ein Fachmann habe den Rahmen neu gebaut. „Das Schneidwerk ist toll. Ich weiß aber nicht, wer es gebaut hat“, so die Radiserin.
Das Fest ist am Sonnabend kaum eröffnet, da drängt das Publikum hin zu Kraut, Speckkuchen, Krustenbraten und Pflaumenkuchen. Die Mitglieder des Radiser Heimatvereins kommen kaum zum Verschnaufen. Vor allem der Namensgeber des Festes stößt auf Interesse. Die Tüten mit rohem Sauerkraut, das vor vier Wochen vorbereitet wurde (pro Kilo Kohl zehn Gramm Salz, etwas Kümmel, nach dem Stampfen vier Wochen ziehen lassen) sind ruckzuck alle. Zumindest etwas zum Kosten gibt es etwas. „Vor vier Wochen gemacht? Das schmeckt mir besser“, vergleicht Helga Ponndorf das fertige Kraut mit dem, was sie selbst macht.
„Ich hatte es immer sechs Wochen stehen, da ist es mir etwas zu weich.“ Die Frau ist aus der Nähe von Köthen angereist, „weil ich gerne Sauerkohl esse“. Gemeinsam mit ihrem Mann macht sie Sauerkraut noch selbst, das kenne sie aus ihrer Kindheit. Neben den Zutaten bedarf es zur Herstellung natürlich Muskelkraft, weil der Kohl nach dem Schneiden gestampft werden muss, damit er Saft gibt. Auch Dieter und Christine Rößler aus Zahna stellen ihr Sauerkraut selbst her.
Mit ihren Elektrofahrrädern haben sie sich bei dem schönen Wetter auf den Weg nach Radis gemacht, von dem Fest haben sie durch Verwandtschaft erfahren. Der Hobel stamme noch von ihren Eltern, erzählt Christine Rößler. „Ich kenne es mit Kohl, Salz und Wacholderbeeren. Aber ich mache auch Kümmel ran.“ Mancher nehme auch Möhren, weiß sie. Zur Aufbewahrung gibt es bei ihr wie früher Fünf-Liter-Steintöpfe.
„Er könnte für meinen Geschmack noch ein bisschen, aber so als Rohkost schmeckt er“, ist Gerda Kunze aus Gommlo mit der Konsistenz des Roh-Sauerkohls im wesentlichen zufrieden. Im Radio habe man Reklame für das Fest gemacht, „und Radis gehört wie Gommlo zu Kemberg“, nennt sie einen Grund herzukommen. „Der Pflaumenkuchen schmeckt auch sehr gut“, lobt sie.
Fünf Bleche haben die Frauen vom Radiser Heimatverein seit dem Morgen gebacken, damit alles frisch ist für die Gäste. „Dazu zwölf Bleche Speckkuchen, 48 Brote und 18 Kilo Krustenbraten“, zählt die Vereinsvorsitzende Antje Möbius auf. „Man kann immer nur eins in den Holzbackofen schieben.“ Sie muss dem Besucher aus Dessau, der kurz nach drei nachfragt, bedauernd erklären, dass fast alles weg ist.
Aber die Nachfrage kann der Verein nur schlecht planen. „Vielleicht im nächsten Jahr weniger Werbung machen“, nennt Antje Möbius eine Notlösung. Für all jene, die nichts abbekommen haben, gab es von den Kindergartenkindern ein kleines Gedicht, wie man Sauerkraut selbst herstellt. (mz)