Radfahren Radfahren: Weltmeister Bert Grabsch erinnert sich

Seegrehna - Bert Grabsch erinnert sich: „Da sitzt man schon wie auf glühenden Kohlen“. Die Rede ist vom „heißen Stuhl“. So nennen die Radsportler jenen Platz, auf dem bei einem Zeitfahren die besten Drei das Ende des Rennens abwarten müssen. Der Seegrehnaer befindet im September 2008 in Varese (Italien) in der Mitte, als er im Ziel angekommen war. Er hatte die Bestzeit erreicht: 52:01,60. So lange hatte er für die 43,7 Kilometer lange Strecke gebraucht.
Der richtig eklige Berg
Bei der letzten Messung auf der Strecke ist er noch nicht der Spitzenreiter. „Ich war Zweiter oder Dritter“, so der heute 45-Jähriger. Ins Rennen geht er mit der Startnummer 13. „Eine Glückszahl“, so der Radprofi. Die Entscheidung fällt kurz vor dem Ziel. „Knackpunkt war ein kleiner Berg, richtig eklig, aber für mich nicht zu steil“, so der Weltmeister, für den das Zittern auf dem heißen Stuhl ein Happy End hat. Der Jubel ist riesengroß - sogar noch bei der Siegerehrung. Weltmeister!
Für Grabsch ist es einfach „ein perfekter Tag“. Die Strecke und auch das Wetter haben gepasst. „Frühherbst in Italien. Es war nicht zu heiß“, sagt der Champion, der Seegrehna und Wittenberg in der Sportwelt bekannt macht. Zeitungen schreiben von „einer großen Überraschung“, andere verkünden sogar „eine Sensation.“ Dabei ist Grabsch bereits zuvor bei der Heim-WM in Stuttgart Vierter geworden. „Ich habe schon zum erweiterten Favoritenkreis gehört“, sagt der Experte, der ein Spezialist im Kampf gegen die Uhr ist. Grabsch schätzt die Einzeldisziplin sehr, weil man „den eigenen Schweinhund“ überwinden muss. Das schafft er meisterlich. In den Jahren 2007 bis 2009 und 2011 wird er jeweils Deutscher Zeitfahr-Titelträger.
Und seine Karriere - eigentlich ist er da noch Fußballer in Pratau - startet er bei der „Kleinen Friedensfahrt“. Auch das ist nichts anderes als ein Zeitfahren. „Über 1,5 Kilometer “, sagt Grabsch, der zum Seriensieger aufsteigt, gewinnt Schul-, Kreis- und Bezirksausscheide. „Beim DDR-Finale wurde ich Dritter. Mein Bruder hat mich danach zum Radsport ermuntert“, so Bert über Ralf Grabsch, der ebenfalls international sehr erfolgreich ist und unter anderem bei den Weltmeisterschaften im 100-Kilometer-Mannschaftszeitfahren eine Bronzemedaille erkämpft.
Und Ralf nimmt seinen jüngeren Bruder mit zur BSG Chemie Piesteritz. Hier erlernt der spätere Weltmeister das Radsport-Abc. Über den SC DHfK Leipzig startet er später in die Profi-Laufbahn. Herausragend dabei seine sieben Teilnahmen bei der Tour de France. „Das ist das größte Radsportrennen der Welt“, schwärmt Grabsch von diesem Event und den Fans. „Manche sind 14 Tage mit dem Wohnwagen dabei“, erzählt er von dem einmaligen Fluidum. Es gebe kaum Vergleichbares. Möglicherweise noch die Olympischen Spiele. „Aber die müssen am richtigen Ort stattfinden“, sagt der Experte. 2012 sei das der Fall gewesen. „Die Begeisterung der Menschen in London waren riesengroß“, erinnert er sich Grabsch und wird Achter. Der Seegrehnaer ist bei allen großen Rennen dabei, fährt die Vuelta (Spanien) und den Giro de Italia. Inzwischen lässt er es etwas ruhiger angehen. Mit seinen zwei Töchtern und seiner Frau unternimmt er Tagestouren in der „herausragenden Landschaft im Havelland“. Die Familie kommt auch an Biketouren im Urlaub in Südtirol nicht vorbei.
Corona stoppt Saisonstart
Doch inzwischen ist die Hartnäckigkeit des Unternehmers genauso gefragt wie einst die des Sportlers im Rennsattel. Grabsch ist Geschäftsführer eines Radsportgeschäfts (www.radsport-bert.de). Der Chef ist hier verantwortlich für das Bikefitting. Dabei geht es um die Ermittlung der richtigen Sitzposition, damit Bike und Körper perfekt miteinander harmonieren. Beim Kauf eines Rennrades oder Triathlonrades ist das inklusive. Zusätzlich sind Trainingsempfehlungen oder eine Ausfahrt mit dem Weltmeister buchbar. „Im Moment ist aber nur die Werkstatt geöffnet“, sagt der Wahl-Brandenburger Bert Grabsch, der wegen Corona sein Geschäfts schließen musste. „Und das zum Start in die Saison“, ärgert sich der Unternehmer auch über den Zeitpunkt. (mz)