Öffentlichkeitsarbeit in Oranienbaum-Wörlitz Öffentlichkeitsarbeit in Oranienbaum-Wörlitz: Mehr Raum für Fraktionen
Oranienbaum-Wörlitz - Der Antrag der AfD-Stadtratsfraktion, künftig im Oranienbaum-Wörlitzer Amtsblatt den Fraktionen eine halbe DIN A4-Seite zur Verfügung zu stellen, damit sie über ihre politische Arbeit berichten können, hat die erste Hürde genommen. Im Hauptausschuss fand sich eine Mehrheit, die sich dafür aussprach, den Vorschlag im Stadtrat einzubringen. Wie eine im Vorfeld von der MZ gestartete Umfrage bereits erwarten ließ, gingen die Meinungen auch im Ausschuss auseinander. Teilweise herrschten selbst in den Fraktionen unterschiedliche Auffassungen.
Die AfD hatte argumentiert, es erhöhe die Transparenz gegenüber den Wählern, wenn jede Fraktion im Amtsblatt bei kommunalen Sachthemen über ihre Standpunkte informieren könne. Parteienwerbung solle hierbei jedoch nicht stattfinden. Tilo Teichmann (CDU) fand, dagegen sei „im Grundsatz“ nichts einzuwenden. Allerdings müssten die Fraktionen redaktionell verantwortungsbewusst arbeiten, um die Neutralität zu wahren. Sei das der Fall, wäre in der Stadtverwaltung, bei der die Beiträge eingereicht werden, „keine stundenlange Prüfung“ nötig.
Aufwand ist zu prüfen
Welcher finanzielle Mehraufwand durch drei zusätzliche Seiten entstehe, müsse recherchiert werden, so Teichmann. Er gehe von einem begrenzten Umfang aus. „Wir reden da vielleicht über einen Betrag zwischen 20 und 50 Euro.“ Die Positionierung der Fraktionen im Amtsblatt „könnte die politische Landschaft beleben“, fügte er hinzu.
Für die SPD („Wir haben uns intensiv beschäftigt.“) sagte Rüdiger Schmidt, dass man das Amtsblatt so belassen wolle. Gegebenenfalls sei die Kontrolle der Texte eben doch eine anspruchsvolle Aufgabe. Das Internet biete ausreichend Chancen, die eigene Auffassung darzustellen.
„Um die Wirkung des Stadtrates im Amtsblatt stärker zum Ausdruck zu bringen, empfehlen wir, dass die Stadtratsvorsitzende Karin Tschernich-Weiske die Rubrik ,Neues aus dem Rathaus’ mit unterzeichnet“, meinte Schmidt. Die von ihm Angesprochene hielt das Unterfangen der AfD für ambivalent. Auf der einen Seite stehe das berechtigte Informationsbedürfnis.
Auf der anderen sei der Aufwand nicht außer Acht zu lassen, mit dem finanziell und personell zu rechnen sei. Hauptamtsleiter Jan Illmer sprach von 1600 Euro im Monat, die das zuletzt 20-seitige Amtsblatt kostete. Außerdem sei die Prüfung der Texte durch die Verwaltung abzusichern. „Es müsste ein Stellenbeschreibungsverfahren angeschoben werden“, sagte er.
Blick nach Dessau
Detlef Herrig (MuT/FDP) gab zu bedenken, dass die Fraktionen unterschiedlich groß und somit unterschiedlich belastet seien. Da könne es passieren, dass die pünktliche Abgabe des Fraktionsbeitrags zum Redaktionsschluss „versehentlich vergessen“ werde. „Wenn keiner liefert, ist der Text nicht da“, schob Uwe Zimmermann (Linke) dazwischen. Michael Marks (Freie Wähler) blickte nach Dessau-Roßlau. Im Amtsblatt dort, so Oranienbaums Ortsbürgermeister, können die Fraktionen jeweils auf einer ganzen Seite von ihrer Arbeit berichten.
„Was an anderer Stelle geht, können wir hier nicht verweigern“, fand Marks. Freilich müsse allen bewusst sein, dass sich die Lieferung „im Rahmen der geltenden Spielregeln“ zu bewegen habe. Allerdings: Eine Orientierung gebende Richtlinie hierfür fehlt bislang. Daraus könnte „hohes Streitpotenzial“ entstehen, gab Rüdiger Schmidt zu bedenken. „Und da weiß ich nicht, ob das uns gut tut.“ Margret Wendt (AfD) erwiderte daraufhin: „Wir wollen sachlich Themen ansprechen und keine Hetze.“
Debatte in der Nachbarstadt
Das Amtsblatt von Dessau-Roßlauer verfügt seit Jahren über einen umfassenden redaktionellen Teil, in dem über Vereine und Veranstaltungen berichtet wird. Allerdings urteilte der Bundesgerichtshof in einem Prozess gegen das „Amtsblatt“ der Stadt Crailsheim (Baden-Württemberg) Ende 2018, dass in Amtsblättern die pressemäßige Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde unzulässig ist.
„Dieser Bereich ist originäre Aufgabe der lokalen Presse und nicht des Staates“, heißt es im Urteil. Zulässig sei nur die Veröffentlichung amtlicher Mitteilungen sowie die Unterrichtung über Vorhaben der Kommunalverwaltung und des Gemeinderats.
Diskussion zu den Fraktionsseiten hat es in Dessau-Roßlau in diesem Jahr gegeben. Ausgangspunkt waren Beiträge, in denen Verwaltungsmitarbeiter, der Oberbürgermeister sowie Stadträte scharf - teils persönlich verletzend, teils rufschädigend - angegriffen wurden. Daraufhin hatte die Stadt die Reißleine gezogen und eine Beitragsveröffentlichung verwehrt. Hierzu befragt, schreibt der Landesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Uwe Gajowski: „Zwar sind die Autoren (...) für die Beiträge zivil- und strafrechtlich verantwortlich, doch entbindet das den für das Amtsblatt presserechtlich Gesamtverantwortlichen nicht von seiner Gesamtverantwortung für das Druck-Erzeugnis.“
Zugleich kann jedoch ebenfalls die Zurückweisung eines Beitrags für den Herausgeber heikel werden. „Für die Redaktion eines Amtsblattes ist es schwierig, den Abdruck von Beiträgen der politischen Parteien mit rechtlich problematischen Inhalten zu verhindern, denn in Deutschland gibt es keine Zensur“, sagt Gajowski. (mz)