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Mitfahrbank in Bad Schmiedeberg Mitfahrbank in Bad Schmiedeberg: Wenn der Bus nicht kommt und das Auto fehlt

Von Annette Schmidt 17.08.2020, 08:39
Stelldichein in Merschwitz. Giesela Reiche (rechts) will die Mitfahrbank eifrig nutzen, Renate Weiß (mit Brille) nur Bekannte mitnehmen.
Stelldichein in Merschwitz. Giesela Reiche (rechts) will die Mitfahrbank eifrig nutzen, Renate Weiß (mit Brille) nur Bekannte mitnehmen. Annette Schmidt

Bad Schmiedeberg - „Na, soll ich jemanden mitnehmen?“, fragte Renate Weiß aus ihrem Auto heraus am Samstagmorgen, als Bürgermeister Martin Röthel (SPD) im Bad Schmiedeberger Ortsteil Merschwitz eine von sieben Mitfahrbänken, mit Sponsoren und Ortsbürgermeistern einweihte. Die Merschwitzer Bürgerin erklärte freilich, sie „würde nur jemanden mitnehmen, den ich kenne. Bei Fremden hätte ich doch ein mulmiges Gefühl“. Damit spricht sie Bedenken aus, die auch andere Bürger beschäftigen.

Flyer erklärt vieles

Röthel sagte, er sei sich durchaus bewusst, dass es noch einige Befürchtungen auszuräumen gilt, zeigte sich aber optimistisch, dass diese sich mit der Zeit ausräumen lassen. Er weist daraufhin, dass der Flyer, der die meistgestellten Fragen beantwortet, in allen öffentlichen Gebäuden und Läden der Orte ausliegt. In Giesela Reiche haben die Initiatoren schon einmal eine begeisterte Tramperin gefunden. Die Rentnerin aus Merschwitz freut sich sehr über das Angebot, denn sie und ihr Mann verfügen nur über ein Auto, das, wie sie sagt, immer er im Beschlag hat. Da sie dienstags regelmäßig den Markt in Bad Schmiedeberg, beziehungsweise mittwochs den in Wittenberg aufsucht, ist sie auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen. „Für zeitlich verbindliche Termine ist die Mitfahrbank natürlich nicht geeignet, weil zu ungewiss. Aber wenn ich wie beim Bummeln zeitlich ungebunden bin, ist es doch perfekt“, so Reiche. Die 67-Jährige sagt selbst, dass sie den aktuellen Busfahrplan gar nicht kennt, aber weiß, dass kein Bus in den Schulferien fährt. Angst davor in Wittenberg oder Bad Schmiedeberg zu stranden, hat die zuversichtliche Dame nicht. „Die Hälfte der Merschwitzer arbeitet in Wittenberg, sogar meine Schwiegertochter, einer von denen wird mich schon mit nach Hause nehmen. Früher haben wir auch immer Tramper mitgenommen und sind selbst getrampt.“ Während Ortsbürgermeister, Stadträtin Sabine Meumann sowie Banksponsor und Erbauer Steffan Biermann die rote Schleife zur Einweihung durchschneiden, machen im Hintergrund die beiden Nachbarinnen Weiß und Reiche bereits Pläne.

Bei der Bankeinweihung in Pretzsch erzählt Martin Röthel von einer Begebenheit mit einer älteren Frau, die den letzten Bus verpasst hatte und von Pretzsch nicht mehr wegkam. Nur durch Zufall hatte er sie angesprochen, wenn es damals schon die Mitfahrbank gegeben hätte, hätte ihr bestimmt schon viel eher jemand geholfen. Er hofft darauf, dass noch mehr Bänke hinzukommen und es sich vom Pilot- zum Modellprojekt entwickelt. Positiver Nebeneffekt des Konzeptes kann, wie er sagt, die Stärkung der nachbarlichen Beziehungen sein. Für Renate Weiß kommt es vor allem auf die möglichen Unterhaltungen an, die sich beim Trampen ergeben können.

Zwei Fliegen in Söllichau

In Söllichau wurden mit der Bank zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, denn sie ist sowohl Bus- als auch Mitfahrbank. „Entweder man hat Glück und fährt kostenlos oder man bezahlt halt sein Busticket, je nachdem was passiert“, so Dirk Koch, Ortsbürgermeister aus Söllichau, der nur darauf hofft, dass kein Vandalismus geschehen wird.

(mz)