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Medizinische Versorgung  Medizinische Versorgung : Ratlos bei Zahnschmerzen?

Von Michael Hübner 30.09.2018, 06:44
Patienten sollten Notfälle planen und am besten auf das Wochenende legen. Da stehen im Landkreis gleich drei Ärzte zur Verfügung.
Patienten sollten Notfälle planen und am besten auf das Wochenende legen. Da stehen im Landkreis gleich drei Ärzte zur Verfügung. Symbolfoto/CC0

Wittenberg - Brigitte Neumeister ist „in Sanftmut noch nicht so erprobt“. Diese Erkenntnis ist am frühen Donnerstagabend eine sehr schmerzhafte. Die Pfarrerin, die sicherlich an diesem Abend mehrfach geflucht hat, braucht dringend die Hilfe eines Zahnarztes. Ihr Problem kommt exakt 24 Stunden zu früh. Einen zahnärztlichen Bereitschaftsdienst gibt es im Landkreis am Freitag ab 18 Uhr für das Wochenende. Und so sind eben am Donnerstag Bemühungen, Hilfe zu ordern, praktisch zum Scheitern verurteilt.

Recherche führt ins Nichts

„Ich habe versucht, heute einen zahnärztlichen Notdienst zu finden. Habe alles Mögliche versucht, über das Internet jemanden ausfindig zu machen“, berichtet die MZ-Leserin. Und die Frau ist sehr erfahren in Sachen Recherche. Sie hat in ihrem weltlichen Leben für eine Staatsanwaltschaft gearbeitet. Und so findet sie zügig die vermeintliche richtige Telefonnummer.

„Dann gab es eine Nummer. Die 116 117 nannte mir die Notfallapotheke in der Collegienstraße - ich war so dankbar, nachdem ich vorher einen Zahnarzt in Mecklenburg-Vorpommern erreicht hatte“, so Brigitte Neumeister. Es war endlich der Strohhalm der Hoffnung, zuvor gibt es nur Enttäuschungen.

„Auch über die Rettungsstelle konnte ich niemanden in der Region erreichen. Ich dachte, dass jemand dort mir Auskunft geben könnte: Fehlanzeige. Diese von mir gewählte Nummer war zwar in Bereitschaft, aber der Kommentar lautete: Ich kann Ihnen nicht helfen. Es gibt keinen Notfallzahnarzt in Wittenberg. Aus“, so schildert es die Leserin. „Da hat man mal Zahnschmerzen, die kaum zum Aushalten sind, und dann so etwas“, schimpft sie.

Das Schicksal von Brigitte Neumeister ist kein Einzelfall. Unter der Woche gibt es mehrere Anfragen in der Leitstelle zu einem zahnärztlichen Bereitschaftsdienst, heißt es aus der Kreisverwaltung. „Wir empfehlen, den eigenen Zahnarzt anzurufen, oder eine Fahrt zu den Zahnkliniken nach Halle oder Leipzig“, verrät der Mann, der den Weg zum Notdienst der Apotheke nicht empfiehlt.

„Die notwendigen Schmerzmittel sind verschreibungspflichtig“, begründet er. Auch der Amtsarzt Michael Hable hat am Freitag auf MZ-Anfrage nicht den rettenden Tipp parat. Er rät zum Durchhalten bis zum „nächsten Morgen“.

Schmerzfrei durch die Nacht

Wer sich dazu nicht in der Lage fühlt, dem bietet sich die Notaufnahme des Paul-Gerhardt-Stiftes als Hoffnung zur Schmerzlinderung an. „Wir können keine professionelle Hilfe leisten“, sagt aber Michael Toursarkissian am Freitag auf MZ-Anfrage. Allerdings müsse niemand die Nacht unter Schmerzen verbringen.

Der Chefarzt der Rettungsstelle würde „Schmerzmittel verabreichen“. Allerdings seien bisher Patienten mit Zahnschmerzen noch nie zu ihm gekommen. „Die Menschen wissen, dass wir keine Zahnärzte im Haus haben“, begründet er im MZ-Gespräch.

Allerdings arbeitet das Stift schon eng mit Zahnärzten zusammen. „Im Stift gibt es eine Liste mit Zahnärzten, die bei Unfällen hinzu gezogen werden können“, darauf weist Maik Pietsch im Gespräch mit der MZ hin. Für den Wittenberger Zahnarzt ist der Notdienst im Kreis abgesichert. Es gebe jeden Samstag und Sonntag Notdienstsprechstunden.

Von Freitag, 18 Uhr, bis Montag, 7 Uhr, gebe es darüber hinaus im Kreis gleich drei Ansprechpartner. Wochentags sei außerhalb der Sprechstunden jeder Zahnarzt für seine Patienten verantwortlich. „Das haben wir so vereinbart“, so Pietsch. Wer aber - und das ist ja im Fall Neumeister passiert - Mediziner seines Vertrauens nicht erreicht?

„Der hat ein Problem“, gibt Pietsch unumwunden zu. Allerdings seien ihm solche Fälle nicht bekannt.

Nicht jeder gefühlte Notfall sei auch einer. Der Notfalldienst sei keinesfalls eine zusätzliche Sprechstunde oder eine Urlaubsvertretung. Der Notdienst sei eingerichtet zur Behandlung dringender, nicht aufschiebbarer Fälle – dazu zählen aber auch Schmerzen, eitrige Entzündungen oder auch Nachblutungen nach zahnmedizinisch-chirurgischen Eingriffen.

ADer Zahnarzt kann und darf hier nur Maßnahmen zur Schmerzbeseitigung und -linderung und zur Verhinderung eines Fortschreitens der akuten Krankheitssituation des Patienten ergreifen, wird auf der Homepage der zahnärztlichen Vereinigung argumentiert.

Ärztlicher Beistand fehlt

Brigitte Neumeister erhielt am Donnerstagabend trotz aller Bemühungen keinen ärztlichen Beistand. Aber die Notdienst-Apothekerin konnte schließlich wirklich helfen. „Nach einer Stunde begann, die Tablette zu wirken“, so die Pfarrerin, die die Angelegenheit inzwischen mit einer Portion Humor nimmt. „Ich habe auf diese Art ein Thema für meine nächste Andacht.“ (mz)