Laienschauspiel Laienschauspiel: Heilsame "Kurklinik Rosenau" in Bad Purzien

Purzien - Vergessen Sie Bad Schmiedeberg! In der „Kurklinik Rosenau“ in Bad Purzien werden Sie ein neuer Mensch - und das binnen drei Tagen. Der Saal des Purziener Bürgerzentrums ist am Samstagabend bei der Aufführung der Laienspielschar der Kolpingfamilie Kaunitz voller Zeugen der wundersamen Wandlung des schüchternen Muttersöhnchens Karl-Wilhelm Schlenker (Martin Bokel) zum schlagkräftigen Rummelboxer.
Ein Schock für die Bauersleute Agathe und Wilhelm Schlenker (Jennifer Jürgens und Christian Jacobfeuerborn), die doch ihrem Karli den Hof übergeben wollen. Der hat sich dort schon krumm geschuftet, und bis sie ihn zur Kur nach Bad Purzien brachten, hat er nur Kühe gesehen. Doch statt auf seine Mutter zu hören und sich an den ihr solide erscheinenden Kurgast Hartmut Leineweber (Ulrich Bokel) zu halten, zieht Karli mit Andy Küppersbusch (Thomas Kläsener) auf die Kirmes.
Andy ist kein Kind von Traurigkeit, die Liste seiner Verstöße gegen die Hausordnung - Zuspätkommen, Rauchen auf dem Zimmer, Alkohol - ist lang. Und nicht umsonst hängt ihm das von Mitpatientinnen und Klinikpersonal verliehene Attribut potent an. Zum Glück kommen immer wieder neue Patientinnen wie Pia Liebermann (Lisa Bokel), die - frisch geschieden - einem Techtelmechtel nicht abgeneigt sind.
Und Hartmut hat ja auch andere Sorgen als auf ein großes Kind aufzupassen: Trifft er doch in der Klinik seinen Schatten der vergangenen Kur, die Münchner Hotelbesitzerin Rosa Sonnenberg-Rüschenkamp wieder. Die freut sich riesig über die Gelegenheit, die Liaison fortzusetzen. Hartmut kann sich aber den Liebesbekundungen nicht öffentlich hingeben, denn seine Frau Käthe (Jutta Junker) ist mit in Bad Purzien. Und so nimmt die Komödie ihren Lauf.
Der Autor heißt Helmut Schmidt, ausdrücklich nicht verwandt mit dem ehemaligen Annaburger Bürgermeister Erich Schmidt, wie Thoralf Gräbner, Vereinsvorsitzender des FSV Purzien, zur Begrüßung sagt. Schmidt hat sich die Aufführung auch in diesem Jahr nicht entgehen lassen, schließlich hat er die Partnerschaft mit der Nordrhein-Westfälischen Gemeinde Verl, von der Kaunitz ein Ortsteil ist wie Purzien von Annaburg, stets intensiv mit gefördert.
Fast ebenso lange, nunmehr 27 Jahre, gibt es das jährliche Gastspiel der Kaunitzer Laienspielschar in Purzien. „Wir freuen uns da immer wahnsinnig drauf“, sagt Spielleiter Heinz-Werner Eikelmann.
Und immer ist der Saal brechend voll. „Selbst für Einheimische ist es schwer, Karten zu kriegen“, erzählt Lutz Biermann, der für sich beansprucht, die Veranstaltung seinerzeit nach der besuchermäßig mageren Premiere in Annaburg nach Purzien geholt zu haben. Die diesjährige Grippewelle hat laut Gräbner lediglich dafür gesorgt, dass die bestellten Karten zum Teil mehrfach den Besitzer wechselten. Auch Bürgermeister Klaus-Rüdiger Neubauer hat die Aufführung krankheitsbedingt versäumt.
Die Kaunitzer Laienspielschar existiert seit 1927. „Zwischendurch haben wir 1 000 Jahre nicht gespielt“, stellt Eikelmann auf die Zeit des Nationalsozialismus ab. Ab 1948 wurde das Theaterspiel wieder aufgenommen. Die Spielsaison der Kaunitzer erstreckt sich über die Fastenzeit, das sind acht Vorstellungen. „Bergfest ist immer in Purzien“, erzählt Eikelmann.
Die Laienspieler arbeiten mit acht Verlagen zusammen. „Je nachdem wie viele Frauen und Männer mitspielen wollen“, würde ein Stück mit passenden Rollen ausgewählt. Es werde Wert darauf gelegt, regelmäßig junge Laienschauspieler aufzunehmen, „sonst sterben wir eines Tages aus“, sagt der Spielleiter. Im Spätsommer beginnen die Proben. Auf jeden Fall soll es immer eine Komödie sein. Ernste Stücke gebe es in den großen Theatern schließlich genug zu sehen.
Die Laienspielschar agiert professionell, Souffleuse, Maskenbildnerinnen und Bühnenbildner sind ebenso dabei. „Es gehört eine Menge dazu“, zollt Gräbner den Kaunitzern Anerkennung. „Man kann nicht nur wollen, man muss es auch können“, so der Vereinschef auf die Frage, warum die Spiellust noch nicht auf die Purziener abgefärbt hat.
Allerdings zeichnet der örtliche FSV für das Bühnenbild des Gastspiels verantwortlich. Die „Spezialisten“ sehen zwei Wochen zuvor eine Vorstellung in Kaunitz, fotografieren und bauen das Bühnenbild dann im eigenen Vereinsraum eins zu eins nach. Und hüben wie drüben ist es immer ein Treffen guter Freunde. (mz)
