Klettern im Landkreis Wittenberg Klettern im Landkreis Wittenberg: Gipfelsturm am alten Schlot

Wittenberg - Grau, unansehnlich und nutzlos ragt er empor, der Schornstein an der Nordseite der „Jahn-Turnhalle“. Ein Zustand, der sich nach dem Willen von Thomas Braune, Präsident des Männerturnvereins (MTV) Wittenberg bald ändern soll. Gemeinsam mit drei jungen Mitstreitern hat er sich vor dem etwa 15 Meter hohen Monstrum eingefunden, das seine besten Tage längst hinter sich hat.
Sie beabsichtigen, den Schlot künftig als Sportgerät für eine innerhalb des MTV neu zu gründende Abteilung Klettern zu nutzen. Braune kennt die Geschichte des Bauwerkes genau. Nach seinen Worten müsste die Statik des Schornsteins noch voll gewährleistet sein. „Als die den damals errichtet haben, ist ein wahnsinniges Fundament eingebracht worden. Und genutzt wurde das Ding bis heute nie“, erklärt er.
Sammeln von Bauunterlagen
Im Weiteren verweist Braune darauf, dass derzeit in seinem Auftrag alte Bauunterlagen zusammengetragen werden, auf deren Basis ein Projekt für eine Nutzung des Rauchfangs als Kletterturm erstellt werden soll. Der Präsident weiß, dass seitens der Stadtverwaltung der Rückbau der großen Esse vorgesehen ist. „Es muss uns gelingen, die Stadtväter davon zu überzeugen, die für den Abriss vorgesehenen Gelder in Mittel für einen Umbau des Schornsteins zum Kletterturm umzulenken.
Als Geburtsstunde des sportlich motivierten Kletterns gilt die Besteigung des Falkensteins in der Sächsischen Schweiz durch Schandauer Turner im Jahr 1864. Ab etwa 1890 entwickelte sich das Freiklettern. Dabei wird versucht, auf technische Hilfsmittel zu verzichten. Außerhalb der Sächsischen Schweiz fand diese Art des Kletterns jedoch vorerst kaum Beachtung.
Eine Renaissance erlebte dieser Sport erst Ende der 1960er Jahre des 20. Jahrhunderts. Westdeutsche Kletterer lernten diese Art des Erklimmens von Felswänden im Elbsandsteingebirge, importierten es und entwickelten es weiter. Seitdem wurden alle Varianten des Kletterns weltweit immer populärer. Durch systematisches Training und verbessertes Material kam es zu enormen Leistungssteigerungen. Üblicherweise wird der Kletternde von seinem Partner mit einem Seil gegen Absturz gesichert. (mz/abx)
Für die Stadt wäre ein solche Vorgehensweise kostenneutral und Wittenberg wäre wieder um eine Attraktion reicher. Wir werden ein diesbezügliches Konzept erarbeiten und einbringen“, so der Präsident. Dabei hofft er sehr auf die Unterstützung des Oberbürgermeisters Torsten Zugehör (parteilos). „Herr Zugehör ist für derlei Dinge eigentlich immer sehr aufgeschlossen“, so die Erfahrung des Ex-Lehrers. Einer der rührigen Mitinitiatoren des künftigen Projekts ist Marco Glaß.
Eine geführte Klettertour in der Sächsischen Schweiz brachte ihn sofort auf den Geschmack. „Von dem Moment meines ersten richtigen Gipfelsturms an war ich Feuer und Flamme für diesen Sport und habe mir immer gewünscht, so etwas auch in meiner Heimatstadt tun zu können“, verrät der sehr drahtige Hobbysportler. Gemeinsam mit Thomas Pabst, der ebenfalls schon Erfahrungen mit der Kletterei gesammelt hat, beginnt Glaß zu fachsimpeln. „Der Schornstein ist eigentlich ideal. Ganz oben müssten ein paar Ringe angebracht werden, durch die der Vorsteiger Seile schlingt. Alle anderen könnten dann bestens gesichert und problemlos nachsteigen“, konstatiert der Hobbykletterer.
Trainerschein erforderlich
Mit einem Blick in das Innere des Schlotes verweist er darauf, dass ein Aufstieg innerhalb des geplanten Turmes im wahrsten Sinne des Wortes „Kaminklettern“ wäre. Pabst und Braune gehen in ihren Überlegungen einen Schritt weiter. „Einer muss unbedingt den erforderlichen Trainerschein erwerben und die Truppe beim Sport anleiten. Das wird auf jeden Fall gefordert. Auch von der Versicherung“, gibt MTV-Vorsitzender Braune zu bedenken. Dass das Erklimmen von steilen Wänden keine reine Männerdomäne ist, beweist die Nummer vier im Kreis der Gründungsmitglieder.
Sportliche Frau
Doreen Hummel besucht, nach eigenem Bekunden, sehr gern künstlich angelegte Kletterwände sowie Hochseilgärten. „Wenn ich eine entsprechende Möglichkeit vor Ort hätte, könnte ich meine diesbezüglichen Fähigkeiten weiter ausbauen“, verrät sie. Einig sind sich alle vier Initiatoren darüber, dass der Klettersport derzeit deutschlandweit „in ist“. Als Zielgruppe zum Ausbau der Abteilung haben sie vorrangig junge Leute ausgemacht, die Spaß und Interesse an dieser Form der körperlichen Ertüchtigung haben - und natürlich schwindelfrei sind. Eine Altersbegrenzung soll es jedoch weder nach oben noch nach unten geben. Selbst erfahrene Bergsteiger sind am Turm der örtlichen Jahn-Turnhalle gern gesehen.
„Wir gründen jetzt erst einmal die Abteilung. Dann sind wir offiziell handlungsfähig und können schnell agieren“, konstatiert abschließend der Präsident des MTV Wittenberg und verweist noch einmal auf die Sprechzeiten im Vereinsbüro Pfaffengasse 7. Dieses ist immer donnerstags von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Interessenten können sich beim MTV Wittenberg unter der Telefonnummer 03491/40 30 31 melden.
