1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Wittenberg
  6. >
  7. Kirche und Corona: Kirche und Corona: Für Thomas Meinhof ist Noah Wegweiser

Kirche und Corona Kirche und Corona: Für Thomas Meinhof ist Noah Wegweiser

Von Thomas Tominski 02.05.2020, 09:27
Der Seydaer Pfarrer Thomas Meinhof fühlt sich wie Noah auf der Arche. Die Taube wird die Menschen wieder an Land führen.
Der Seydaer Pfarrer Thomas Meinhof fühlt sich wie Noah auf der Arche. Die Taube wird die Menschen wieder an Land führen. Thomas Tominski

Seyda - Das Bild mit der Friedenstaube von Pablo Picasso liegt im Gemeinderaum gerahmt auf dem Tisch. Für Pfarrer Thomas Meinhof besitzt es eine symbolische Kraft. Er fühlt sich in der Corona-Krise wie Noah auf der Arche.

Nach der Sintflut ist ringsherum Wasser, keiner auf dem Schiff weiß, wo sich Land befindet. Noah lässt eine Taube ausfliegen, die nach der zweiten Runde mit einem Ölblatt im Mund zurückkommt und mit dem dritten Ausflug in der Ferne verschwindet. „Dann hat Noah gewusst, dass die Taube auf dem Land geblieben ist“, so der evangelische Pfarrer, der in den vergangenen Wochen immer einen Weg aus der Ausweglosigkeit gefunden hat.

Glockenläuten als Startschuss

Als persönliches Paradebeispiel führt der 53-Jährige Ostern an. Geschlossene Kirchen heißt nicht fehlende Gottesdienste. Sicher, diese sind in sehr abgespeckter Form über die Bühne gegangen. Meinhof hat per Gemeindeblatt seine Stellplätze in den acht Gemeinden verkündet und das Wort Gottes in die Welt hinaus getragen.

„Mit dem Glockenläuten ist der Startschuss gefallen. Die Leute haben aus dem Fenstern geschaut und mitgesungen.“ Der Pfarrer hat in dieser Zeit viel Kraft getankt. Er lobt das Gemeinschaftsgefühl, das unter den Menschen in der Krise entstanden ist und bezeichnet die Erfahrungen als „unbezahlbar“.

Er hat auch gelernt, die vorhandenen Möglichkeiten mit anderen Augen zu sehen. Trotz Corona gibt es genügend Freiräume, mit Gott ins Gespräch zu kommen. „Die Kirche in Seyda“, sagt er, „ist doch offen. Einen stillen Platz für ein Gebet gibt es immer.“

Der Pfarrer kennt die Verfügung des Landeskirchenamtes vom 27. April aus dem Effeff. Es ist eine Perspektive für kirchliches Handeln im weiteren Verlauf der Corona-Pandemie. Hier sind unter anderem Dinge wie maximaler Teilnehmerkreis, Abstandsregeln oder Hygienestandards geregelt.

„Bevor kein Impfstoff auf dem Markt ist, wird es Gottesdienste in der früheren Form nicht wieder geben“, so der Geistliche, der die Bemühungen der Landesregierung, Gottesdienste nach der Genehmigung eines Schutzkonzepts wieder zuzulassen, zwar verfolgt, doch anderseits zu Vorsicht mahnt, da es um Menschenleben geht. „Ich habe zum Glück bisher keinen beerdigen müssen, der an Corona gestorben ist.“

Von prall gefüllter Kirche zu Pfingsten träumt Meinhof deshalb nicht. Er sei Realist und versuche, aus dem Machbaren das Maximale herauszuholen. Die Gottesdienste, die er zusammen mit seiner Familie in den Kirchen seines Pfarrbereichs feiert, werden gefilmt und ins Internet gestellt.

Wenn sich doch einmal zwei Menschen im Gotteshaus beim Gebet begegnen, empfiehlt Meinhof ein freundliches Zuwinken oder den persönlichen Wortwechsel auf 1,50 Meter Sicherheitsabstand. „Ich will“, sagt er, „mit einem Wunschtermin für Gottesdienste keine Hoffnungen wecken. Für diese Entscheidung ist die Regierung zuständig.“ Pfingsten ist trotzdem, fügt er pragmatisch an.

Der 53-Jährige hat volles Verständnis dafür, dass die Sehnsucht nach Gemeinschaft riesengroß ist. Die Christenlehre für Kinder findet nicht statt, im modernisierten Gemeindehaus geht es stiller zu. Noah hat laut biblischer Überlieferung auch nicht gewusst, wo seine Arche anlegt. Er hat auf Gott vertraut und einen Weg aus der Krise gezeigt bekommen. „Das Seelenheil der Menschen hängt nicht von irgendeiner Verordnung ab.“

Konfirmation wird gefeiert

Beim Konfirmandenunterricht geht der Theologe ebenfalls neue Wege. Die Arbeiten werden schriftlich erledigt. Meinhof ist mit dem Kirchenrat und den Eltern der Jugendlichen aus Seyda im Gespräch, in welcher Form die Konfirmation durchgeführt werden kann. Die Gemeinde Gentha hat sich bereits für eine Verschiebung von Pfingsten auf August entschieden. In einem Punkt sind sich alle einig: Die Konfirmationen sollen nicht ins Wasser fallen.

Wenn laut der Corona-Bestimmung ein kleiner Gottesdienst für Familien nicht möglich ist, fährt Meinhof direkt zu den Jugendlichen nach Hause. „Dort“, sagt er, „kann ich den Segen für ein Leben mit Gott auch erteilen.“ Den Entschluss, Pfarrer zu werden, hat der 53-Jährige in der elften Klasse gefasst - und nie bereut. Krisen machen stark. Im Glauben, in der Gemeinschaft. Davon kann der Geistliche mehr als ein (Kirchen)Lied singen. (mz)