Jubiläum bei Bad Schmiedeberg Jubiläum bei Bad Schmiedeberg: Turm für Kaiser und Kurgäste

Bad Schmiedeberg - Der Kaiser-Wilhelm-Turm auf der „Schönen Aussicht“ zählt zweifelsohne zu den markantesten Gebäuden der Dübener Heide. Viele Besucher aus Nah und Fern rollen zu jeder Jahreszeit aus allen Himmelsrichtungen zu ihm in den Bad Schmiedeberger Stadtwald. Er feiert am heutigen 5. Februar seinen 111. Geburtstag.
Das Wort Feiern kann zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nur symbolisch gewertet werden. Nachgefragt bei der Familie Gellert/Florak, die die dazugehörige Gaststätte am Fuß des Turms betreibt, ist zu erfahren, dass das Schnapszahlenjubiläum zu einem geeigneten Zeitpunkt gebührend begangen werden soll. Zur Zeit ist lediglich ein Außer-Haus-Service möglich. An den Wochenenden werden Speisen und alkoholfreie Getränke „to go“ ausgegeben.
Doch zurück zum insgesamt 30 Meter hohen Turm, der am 5. Februar 1910 zusammen mit einer sogenannten Erfrischungshalle eröffnet wurde. Einen entsprechenden Beschluss zum Bau des selben fassten die Stadtväter bereits 1897.
Das geht aus Unterlagen der Stadtchronik hervor, die von Felix Saul seit über vier Jahrzehnten, ganz genau seit 1978, geführt wird. Er weiß auch, dass in den darauffolgenden Jahren kräftig die Werbetrommel gerührt wurde, unter anderem auch, um Spenden für die Baufinanzierung zu bekommen.
Denkmal und Ausguck
Ziel des Projekts war zum einen die Ehrung des ehemaligen deutschen Kaisers Wilhelm I. (1797 bis 1888). Doch man schuf mit dem Gedächtnisturm nicht nur ein Denkmal für den Monarchen, sondern ein besonderes Ausflugziel für Kurgäste und Sommerfrischler. In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Bad Schmiedeberg bereits seit 1878 eine Kurstadt ist und sich das Städtische Eisenmoorbad bis zur Jahrhundertwende schon einen guten Namen gemacht hatte.
1895 wurde die Bahnlinie Wittenberg-Eilenburg über Pretzsch, Schmiedeberg und Düben eröffnet, was zu einem noch größeren Besucher-Ansturm führte. „Man war nun mit der großen weiten Welt verbunden“, beschreibt Felix Saul die Situation, denn in Eilenburg gab es die Anschlusszüge nach Leipzig und von Wittenberg aus ging es rasch nach Berlin.
Der Stadtchronist hat in seinen Aufzeichnungen unter anderem alte Zeitungsartikel, die darüber berichten, dass an manchen Morgenden am Bahnhof mehrere hundert Menschen aus den Zügen stiegen, wo sie von Bad Schmiedeberger Kapellen musikalisch empfangen wurden.
Die wanderten, oft begleitet von Fremdenführern, zum Beispiel nach Reinharz und zur Schönen Aussicht, um am Abend glücklich wieder heim zu fahren. Unter den Gästen waren neben Familien aus den Großstädten auch Sportgruppen, Radfahr-, Kegel- und Gesangsvereine.
Mit größter Treppe
Auch heute ist der gut ausgeschilderte Bad Schmiedeberger Stadtwald ein beliebtes Wandergebiet und ein Gesundbrunnen für genesende Kurgäste. Mehrere Wege führen auch zur Schönen Aussicht. Kommt man beispielsweise vom Kuhteich, geht am Eichhörnchen-Rastplatz vorbei und wählt nicht den Eselsweg nach oben, steht man wenig später plötzlich vor einer riesigen Treppe mit 126 Stufen. Sie gilt als die größte in der Dübener Heide.
Diesen steilen Aufstieg gibt es übrigens, was historische Postkarten beweisen, schon viel länger als den Turm. Über die Stufen erreichte man seinerzeit das oben stehende sogenannte Borkenhäuschen, das bereits vor der Errichtung des Kaiser-Wilhelm-Turms Wanderer und Kurgäste zur Rast einlud.
Übrigens, der Aussichtsturm ist auch begehbar und, wenn man nach den 126 Treppenstufen auch noch die 104 Stufen bis zur Aussichtsplattform, die über eine umlaufende Brüstung verfügt, hinaufsteigt, genießt man im wahrsten Sinne des Wortes eine „Schöne Aussicht“. Man befindet sich nämlich an jener Stelle in über 200 Metern über Normalnull und somit an der höchsten begehbaren Stelle in der Dübener Heide. Die höchste natürliche Erhebung, die Hohe Gieck, ist nur 193 Meter hoch.
Viel investiert
In 111 Jahren hatte der Zahn der Zeit natürlich Gelegenheit, am Gemäuer zu nagen. So ist in der Stadtverwaltung Bad Schmiedebergs zu erfahren, dass der Aussichtsturm sowie das Anwesen in den 1980er Jahren eine umfassende Rekonstruktion erfuhren. 2006 erfolgte eine weitere „Inwertsetzung“ - insbesondere am Turm. 2017 bis Anfang 2019 erhielt die Gaststätte ein neues Dach und es wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten sowie die Erneuerung von Sanitärobjekten und Elektroinstallationen durchgeführt.
Der Treppenaufgang im Turm erhielt einen neuen Farbanstrich. Aus brandschutztechnischen Gründen war es außerdem erforderlich, einen Feuerlöschteich anzulegen.
Bei klarer Sicht ist vom Turm beispielsweise das Völkerschlachtdenkmal von Leipzig am Horizont zu erkennen. Auf der gegenüber liegenden Seite schweift der Blick über Bad Schmiedeberg und auch Kirche und Schloss Pretzsch sind zu sehen.
Durch den neuen Wirt, der im April 2019 die Pforten der Ausflugsgaststätte öffnete, wurden auch die Außenanlagen richtig aufgepeppt. Es gibt eine Zufahrt von der Landesstraße 128 und einen Parkplatz. (mz)
