Heimatgeschichte rund um Wittenberg Heimatgeschichte rund um Wittenberg: Vor hundert Jahren in der Zeitung

Wittenberg - Nach vier Jahren Krieg wurde Wittenberg zunehmend sicht- und hörbar verändert. Dachdeckermeister Quilitzsch begann am 7. August mit der Abdeckung des Kupfers von den Wittenberger Stadtkirchtürmen, „und zwar wird zunächst mit dem nördlichen Turme der Anfang gemacht. Die Arbeit in so beträchtlicher Höhe ist keineswegs ungefährlich und stellt an das ausführende Personal erhebliche Anforderungen. Die Neueindeckung mit Schiefer erfolgt sogleich im Anschluß an die Abdeckung“, schrieb die Wittenberger Allgemeine Zeitung am 9. August. Kupfer kam bis heute nicht wieder auf die Türme.
Glocken eingebüßt
Die Kleinwittenberger Christuskirche büßte nach Ablauf der ersten Augustwoche ihre große Glocke ein. Diese stammte aus Bitterfeld und war 1474 gegossen worden. „Ohne äußeren Abschied verließ sie ihren hohen Platz“, so die Allgemeine am 9. August. Ende August folgten zwei Glocken der Schlosskirche, wie das Wittenberger Tageblatt am 30. August beschrieb. Demnach wurde die große Glocke am 28. August herunter geholt, „die mittlere wird ihr folgen. Künftig wird nur noch die kleine Glocke läuten.“
Dass in einigen Orten der Umgebung Feldwachen gebildet wurden, um der Diebe Herr zu werden, hielt letztere nicht davon ab, in dreister Art auf dem Land zu stehlen. In Külso, so das Tageblatt am 1. August, waren die Spitzbuben einige Tage zuvor durch ein Fenster eingestiegen, haben „bei dem Mühlenbesitzer Kuhbier hier die Stalltür von innen geöffnet und ein etwa einen Zentner schweres Schwein abgeschlachtet und gestohlen“. Das Auffälligste dabei sei, „daß die Diebe solche Gehöfte mit Vorliebe aufsuchten, wo Hofhunde sind, die durch irgend einen vorgeworfenen Leckerbissen zum Schweigen gebracht werden“.
Zwei Tageszeitungen können für die Zeit vor hundert Jahren in Wittenberg und Umgebung ausgewertet werden. Dies sind das Wittenberger Tageblatt, das neben seiner Funktion als Tageszeitung auch amtlicher Anzeiger ist, und die Wittenberger Allgemeine Zeitung. Einsehen kann man beide Zeitungen im Ratsarchiv der Stadt Wittenberg, Juristenstraße 16. Dieses ist geöffnet dienstags, mittwochs, samstags und sonntags von 9 bis 12 und 13 bis 17 Uhr.
Eine Anmeldung unter Telefon 03491/5051850 wird empfohlen.
„Mit schnödestem Undank gelohnt“ habe ein in der Lutherstraße in Wittenberg wohnender Antiquitätenhändler die Gaben einer in der Nachbarschaft wohnenden Dame aus den besseren Ständen, bedauerte das Tageblatt am 2. August. Der Mann hatte sie öfter besucht, über Hunger geklagt und von ihr abgepackte Lebensmittel erhalten. „Aus Dankbarkeit gegen seine Wohltäterin lockte er den wertvollen Dackel der Dame an sich, nahm ihn mit nach seiner Wohnung und schlachtete das Tier ab.“ Die Polizei ermittelte den Täter, der neben einem Geständnis „den Aufbewahrungsort des eingesalzenen Fleisches und des Felles des Hundes“ angab.
In der Stadtverordnetenversammlung erfolgte eine wichtige Wahl. „Mit erfreulicher Einstimmigkeit wurde Herr Dr. Nottebohm aus Finsterwalde zum Zweiten Bürgermeister unserer Lutherstadt gewählt“, verkündete das Tageblatt am 10. August. Erfreuliches berichtete das Tageblatt am 15. August: „Das hiesige Königliche Prediger-Seminar wird zum 1. Oktober 1918 wieder eröffnet werden.“ Es werde jenen Kandidaten Aufnahme bieten, die ihre Ausbildung nach der bestandenen ersten theologischen Prüfung des Krieges wegen unterbrechen mussten.
Eine kleine Temperaturbilanz des Augusts gab die Allgemeine am 25. August. Danach sei der 22. August der bisher wärmste Tag des Jahres gewesen, da „in diesem Jahre noch an keinem Tage die Temperatur über + 30 Grad gestiegen war“. Das Blatt weiter: „Am Donnerstag schnellte die Quecksilbersäule bis auf + 33 Grad Celsius empor.“ Auffallend früh seien in diesem Jahr die Schwalben auf Reisen gegangen, konstatierte die Allgemeine am 28. August. „Seit Mitte letzter Woche sind die Schwalben bis auf wenige Nachzügler verschwunden.“
Vieh wird gerettet
Auch aus dem Umfeld von Wittenberg gab es einiges zu berichten. In Pratau starb am 4. August der langjährige Amtsdiener und Gemeindediener August Lauterbach im Alter von 73 Jahren, was drei Tage später die Allgemeine vermeldete.
Ein Blitzschlag „schlug in die Scheune des Landwirts und Kaufmanns Krause in Mescheide und zündete“, berichtet die Allgemeine am 13. August. „Im Nu stand die lange Scheune und der Stall in Flammen. Da die Scheune nicht mehr gerettet werden konnte, so beschränkten sich die Feuerwehren auf Erhalten des Wohnhauses. Durch hilfsbereite Nachbarn konnte sämtliches Vieh gerettet werden.“
In Kemberg, schrieb die Allgemeine am 2. August, wurde eine „hiesige Säuglingsfürsorgestelle im Ratskeller eröffnet. Es wurden 23 Kinder zur ärztlichen Untersuchung vorgestellt.“ In Coswig konnte, so die Allgemeine vom 24. August, nach längeren Beratungen „über eine hier zu errichtende Baugenossenschaft für gartenstadtmäßigen Bau von Eigenheimen und Mietshäusern mit Kaufanwartschaft“, eine Baugenossenschaft gegründet werden.
(mz)