Handball Handball: DDR-Meister vor 6.000 Fans
wittenberg/MZ. - Bevor Klaus Behrendt anfängt, über Handball zu erzählen, blickt der heute 74-Jährige erst einmal zurück: "Ich weiß, was Hunger bedeutet." Er spricht von seiner Flucht 1944 aus Ostpreußen, Fliegerangriffen und der Ankunft in Mitteldeutschland. Hier findet er mit seiner Mutter und den vier Geschwistern - der Vater ist gefallen - schnell ein neues Zuhause. Doch auch der Lebenshunger prägte die ersten Nachkriegsjahre. "Wir waren hungrig auf Normalität. Und das bedeutete für mich Sport."
Behrendt begann 1949 in Reinsdorf mit dem Handball. Eine Leidenschaft, die ihn fortan nicht mehr loslassen sollte. "Trainer Günter Singhoff weckte damals den Ehrgeiz in mir", weiß Behrendt zu berichten. Dabei glänzen seine Augen. Aus heutiger Sicht verwundert es, dass jemand mit 1,68 Meter Körpergröße und 65 Kilo Wettkampfgewicht eine derartige Handballkarriere machen konnte.
Doch damals zählte einzig die Leistung. Und diese war bei Klaus Behrendt überdurchschnittlich. Als sich 1951 die Vereinigung der Piesteritzer und Reinsdorfer Handballer zur BSG Chemie Piesteritz vollzog, bedeutete dies zugleich einen Qualitätssprung. "1954 reichte es zum dritten Platz bei den DDR-Jugendmeisterschaften." Der Knüller folgte ein Jahr später. Piesteritz schlug im Großfeldhandball-Endspiel um die DDR-Jugendmeisterschaft Motor Magdeburg 13:12 auf der damaligen Kampfbahn des Friedens (heute Lambert-Stadion).
"Ich spielte auf halblinker Stürmerposition. 6 000 Zuschauer verfolgten das Spiel. Mir zitterten die Knie vor so einer Kulisse." Zwei FDGB-Pokalsiege vervollständigen die Erfolgsstatistik.
Ehefrau Erika Behrendt, selbst aktive Handballerin, verfolgte zu diesem Zeitpunkt mit Interesse das Geschehen. Schließlich hatte sie bereits ein Auge auf den schmächtigen Klaus geworfen. "Wir waren damals an der Ostsee im Trainingslager und hörten die Rundfunkübertragung vom Endspiel. Alle Mädchen waren damals aus dem Häuschen", erinnert sich Erika Behrendt, die es im Übrigen als A-Jugendliche im Kugelstoßen zu Bronze bei DDR-Meisterschaften brachte. Beruflich ging Behrendt seinen Weg als Ingenieur im Apparatebau Reinsdorf (ACA). Doch was zeichnete diesen Handballbesessenen aus? Er zählte zu den Sportlern, die der Coach nicht extra motivieren musste. Selbst das dreimalige wöchentliche Training nach der Arbeit reichte ihm nicht. Den Talentspähern blieben die Fähigkeiten des jungen Mannes aus Wittenberg nicht verborgen. Es folgte die Berufung in die Jugendnationalmannschaft.
In Leipzig, anlässlich des Turn- und Sportfestes absolvierte Behrendt sein einziges Länderspiel gegen die CSSR, das gewonnen wurde. Was folgte war ein Angebot des SC Dynamo Berlin. Behrendt schlug dieses jedoch aus, was einen Knick in seiner Karriere bedeutete. Piesteritz war und blieb stets seine sportliche Heimat. 1957 gelang ihm mit seiner Mannschaft der Aufstieg in die höchste Spielklasse der DDR, in die Oberliga. 2 000 Zuschauer zu den Heimspielen waren Normalität. An kleinen Anekdoten fehlte es Behrendt nicht: "Als wir im August 1961 mit unserer Mannschaft in Wien weilten und dort gegen die besten österreichischen Teams gewannen, erreichte uns die überraschende Nachricht von der Schließung der Grenze. Erika, mit der ich jetzt 55 Jahre verheiratet bin, hätte es mir nie verziehen, wenn ich dort geblieben wäre. Wir fuhren zurück, und ich begnügte mich mit einem Mitbringsel aus Österreich, einem Tirolerhut."
Behrendt hat in Wittenberg Handballgeschichte geschrieben. Doch wie heißen seine drei Topfavoriten? "Joachim Harras, Reiner Heilemann und Achim Lehmann. Doch das waren sportlich gesehen bessere Zeiten. Gegenwärtig erleben wir einen Tiefpunkt. Vielleicht sollten sich die besten Spieler in einem Verein wiederfinden und nicht die Kräfte splitten." Ergänzend fallen ihm noch Namen wie der kürzlich verstorbene Helmut Alexander und Grün-Weiß-Chef Hans-Dieter Wendt ein.