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"Goldener Hirsch" in Oranienbaum "Goldener Hirsch" in Oranienbaum: Der Blick geht nach Paris

Von Andreas Behling 06.05.2020, 08:48
Sabine und Benjamin Jouanne vor der neuen Wandgestaltung.
Sabine und Benjamin Jouanne vor der neuen Wandgestaltung. A. Behling

Oranienbaum - Benjamin Jouanne freut sich auch über ein Lob, das nicht seinen Kochkünsten gilt. Der Gastronom, der mit seiner Frau Sabine in Oranienbaum das Traditionslokal „Goldener Hirsch“ am Markt betreibt, hat die vier Bahnen der Foto-Tapete so super exakt verklebt, dass keine einzige Stoßkante auffällt. Das Bild, das eine komplette Wand in Anspruch nimmt, wirkt wie aus einem Guss.

Dem Namen verpflichtet

Mit dem Kompliment für diese Maßarbeit sieht der Mann, der sonst Kochlöffel und Pfannenwender schwingt, die Bemühungen der letzten Zeit honoriert. Der neue Gastraum, der etwa 20 bis 25 Personen Platz bietet, ist in dem auch außen ansprechend renovierten Lokal - über dem Eingang glänzt das Wahrzeichen - zu einem wahren Schmuckstück geworden.

„Um Einrichtung und Ausgestaltung haben wir uns komplett selbst gekümmert“, erzählt Benjamin Jouanne. Dabei ist der Gaststätten-Name irgendwie eine Verpflichtung: von der Wand schaut ein prächtiger, äußerst lebensecht wirkender Hirsch ins gemütliche Zimmer. Sabine Jouanne musste derweil gar nicht so lange im Internet recherchieren, um weitere Dekorationsstücke zu finden, zu denen das Attribut „urig“ passt. Es sind dunkle Hirschköpfe, die als Kleiderhaken dienen.

Eine französische Reminiszenz findet sich hier natürlich ebenfalls: Von der anderen breiten Wand grüßen der Eiffelturm und Notre Dame. Die Hinweise auf das Heimatland von Benjamin Jouanne sind überall im Lokal verstreut.

Da hängt die Trikolore überm Tresen, dort zieren hübsche Vorhänge mit der Aufschrift „Champs-Élysées“ die Fenster. Und ja: Wenn wieder Normalität herrschen würde, dann könnten wieder Froschschenkel und Schnecken - „Das ist ein Stück Erlebnisgastronomie“, weiß Sabine Jouanne - bestellt werden.

Doch die Covid-19-Krise hat die Normalität abgelöst. Das deutsch-französische Paar macht aber nicht den Eindruck, als sei es in ein tiefes Loch gefallen. „Ich will nicht sagen, dass Corona gerade richtig kam, aber es war ein wenig Glück im Unglück, dass wir die drei Wochen vor Ostern sowieso schließen wollten, um unsere Küche auf Vordermann zu bringen“, erzählt Benjamin Jouanne. Weil diese Arbeiten dann doch größeres handwerkliches Geschick erforderten, kamen hier Fachfirmen zum Zuge.

Neuer Fußboden ist verlegt worden, alle Wände sind jetzt bis oben gefliest, Abflüsse wurden erneuert und auch ein paar Geräte getauscht. „Wir haben immer geschaut, Unternehmen aus der Region zu finden“, betont Benjamin Jouanne. „Wir finden es wichtig, sich untereinander zu unterstützen. Solche Projekte funktionieren zusammen am besten.“

In der Krise habe sich eine Solidarität entwickelt, die auch neuen Schwung verleihe. „Das ist eine schöne Mentalität“, finden die Oranienbaumer. Das Paar rät folglich, die Situation anzunehmen, weiter vorsichtig zu sein und die Hygieneregeln zu beachten.

Vor allem aber bringe es nichts, sich gegenseitig die Lage schlimmer zu reden, als sie ist. „Wohin sollte das führen, wenn alle nur am Meckern sind? Wir Gastronomen sind auch nicht die einzigen auf der Welt, die mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben“, schauen Jouannes über den Tellerrand. „Wir haben ja noch die Chance, Lücken zu finden und zu nutzen.“

Ein Zeichen setzen

Ein Risiko, fügen sie hinzu, gebe es in der Branche immer. „Mal ist ein Sommer ganz furchtbar, weil es zu viel regnet. Mal ist er schlimm, weil die Hitze nicht auszuhalten ist.“ In der aktuellen Phase sind sie wie viele andere aus ihrem Metier dazu übergangen, täglich frisch zubereitete Gerichte zum Mitnehmen anzubieten und schmackhafte Produkte für den perfekten romantischen Abend oder den Grill zur Verfügung zu stellen. „Man muss“, sind sie überzeugt, „einfach ein Zeichen setzen, dass es weitergeht.“ (mz)