Global Fliegenschmidt Coswig Global Fliegenschmidt Coswig: 27-Jähriger wechselt von Behindertenwerkstatt in Firma

Coswig - Marcel Puhlemann fühlt sich wohl an seinem neuen Arbeitsplatz. „Die Entscheidung dafür war höchste Eisenbahn“, sagt der 27-Jährige. Seit Mitte Dezember arbeitet er als Produktionsmitarbeiter bei der Firma Global Fliegenschmidt GmbH in Coswig. Eigentlich ist so etwas keine Besonderheit, aber für den Coswiger war es schwer, eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten.
Nach einer Erkrankung ist er im Status Schwerbehinderten gleichgestellt, war lange in der Werkstatt für Behinderte Rotall tätig. „Dort habe ich mich unterfordert gefühlt“, sagt Puhlemann. Nach einem Praktikum bei Global Fliegenschmidt, dem Hersteller mobiler Toilettenhäuschen, war er sicher, dass ihm eine Arbeit dort gefallen würde.
„Wir haben Herrn Puhlemann erst ausgeliehen und beschäftigen ihn nun fest“, sagt Geschäftsführer Peter Fliegenschmidt. Arbeitgeber wie den Coswiger Unternehmer würde sich Sabine Edner noch mehr wünschen. „Die Situation für Menschen mit Behinderung ist auf dem Arbeitsmarkt trotz der positiven Entwicklung im Landkreis Wittenberg weiterhin angespannt“, weiß die Chefin der Agentur für Arbeit Dessau-Roßlau-Wittenberg.
„Die Situation für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ist trotz der positiven Entwicklung im Landkreis Wittenberg weiterhin angespannt. Insgesamt suchen 312 Arbeitnehmer mit Handicap eine Beschäftigung. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind es 19 Prozent weniger (73 Personen), die arbeitslos sind“, beschreibt Sabine Edner, Chefin der Agentur für Arbeit Dessau-Roßlau-Wittenberg, die Situation für Menschen mit Handicap.
Gemessen an allen Arbeitsplätzen beträgt die Beschäftigungsquote für Menschen mit Behinderung im Landkreis Wittenberg 3,8 Prozent. Der Agenturschnitt liegt bei 3,5 Prozent. Seit 2010 ist die Beschäftigungsquote von 3,9 Prozent auf 3,8 Prozent leicht gesunken. Insgesamt sind im Landkreis Wittenberg fast 900 sogenannte Pflichtplätze von Unternehmen einzurichten. Davon hat die Agentur 726 besetzte Pflichtplätze verzeichnet.
Insgesamt würden derzeit 312 Arbeitnehmer mit Handicap eine Beschäftigung suchen.
Die Anstellung von Marcel Puhlemann nennt sie ein „schönes Beispiel für Inklusion“. Angesichts der demographischen Entwicklung gewinne diese immer mehr an Bedeutung. Inzwischen, wo Fachkräfte knapp werden und neue Auszubildende den Mangel nicht decken können, würde das Fachwissen von Menschen mit Behinderung an Bedeutung gewinnen.
Der Trend gehe weg von geschlossenen Werkstätten. „Leider gibt es aber immer noch Vorbehalte, Schwerbehinderte einzustellen“, sagt Edner.
Dazu sind Unternehmen ab 20 Mitarbeitern gesetzlich eigentlich verpflichtet. Die Pflichtquote an schwerbehinderten Beschäftigten beträgt fünf Prozent. Erfüllt man diese nicht, sind pro fehlendem Arbeitsplatz und Monat Ausgleichszahlungen zwischen 125 und 320 Euro fällig.
„Es gibt viele Firmen, die scharf rechnen müssen und lieber diesen Ausgleich zahlen, als beispielsweise lange Krankheitszeiten in Kauf zu nehmen“, versucht Peter Fliegenschmidt die Überlegungen anderer Arbeitgeber zu erklären.
Seine Firma geht freilich mit gutem Beispiel voran und hat vier Schwerbehinderte angestellt. Damit liegt er deutlich über der Beschäftigungsquote für Menschen mit Behinderung von 3,8 Prozent im Landkreis Wittenberg. 883 Stellen, so Sabine Edner, sollte es eigentlich im Landkreis geben, 275 sind jedoch unbesetzt.
„Bei aktuell 312 arbeitslosen Menschen mit Behinderung sollte die Aufgabe eigentlich zu lösen sein“, appelliert sie an die Unternehmen. „Schwerbehinderung bedeutet schließlich nicht gleich Rollstuhlfahrer“, erklärt sie, das Beispiel Marcel Puhlemann zeige, dass nicht immer eine besondere Arbeitsplatzgestaltung notwendig ist.
Der 27-Jährige hat sich längst gut in das Team der Kollegen eingefügt. „Die Arbeit macht mir hier Riesenspaß“, sagt er. Auch wenn man ihn eigentlich in der Behindertenwerkstatt ungern gehen ließ und er sich um vieles, das mit seinem neuen Job zusammenhing, selbst kümmern musste.
Unterstützung geben in solchen Fällen der Integrationsfachdienst und die Arbeitsagentur. „Aus unserer Sicht lohnt es sich für Firmen wie auch für Menschen mit Behinderung, auf dem Arbeitsmarkt integriert zu werden“, meint Sabine Edner. „Arbeitgeber sollten ihre Vorbehalte deshalb überdenken.“
Vorbehalte, die es bei Global Fliegenschmidt nie gab, denn schon seit 22 Jahren arbeitet das Coswiger Unternehmen mit der Werkstatt für Behinderte Rotall zusammen. „Daran wird sich auch künftig nichts ändern“, versichert Geschäftsführer Peter Fliegenschmidt. (mz)