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Gehörlosenzentrum  Gehörlosenzentrum : Engagiert weit über den Verein hinaus

Von Andreas Benedix 09.11.2016, 10:22
Uwe Kapper verabschiedet sich als Vorsitzender des Gehörlosenvereins, will sich aber weiter engagieren.
Uwe Kapper verabschiedet sich als Vorsitzender des Gehörlosenvereins, will sich aber weiter engagieren. Andreas Benedix

Wittenberg - Den Vorsitz gibt Uwe Kapper nach rund 17 Jahren ab. Im Gehörlosenverein Wittenberg will er aber dennoch aktiv bleiben. Seit 1999 lenkt er als Vorsitzender die Vereins-Geschicke. Zunächst für mehrere Monate kommissarisch tätig, wurde er im Jahr 2000 durch Wahl der Mitglieder des Vereins in diesem Amt bestätigt. Nun hat sich seine persönliche Situation so verändert, dass er in der Neuwahl am 12. November nicht mehr für den Vorstand kandidieren wird.

Die Verständigung zwischen Menschen mittels Gebärdensprache und Lautsprache wird als bimodale Zweisprachigkeit bezeichnet. Gebärdensprachen sind visuell-gestische Sprachen, deren Zeichen vordergründig mit den Händen gebildet werden. In der Verbindung von deren Ausführung, der Bewegung, der Mimik, Blickrichtung, Mundgestik und Körperhaltung ergeben sie die für Gehörlose deutbaren Signale. Als eigenständige und vollwertige Kommunikationsmittel haben sie in manchen Ländern den Status einer Minderheitensprache. In der Bundesrepublik ist die Deutsche Gebärdensprache seit 2002 rechtlich anerkannt.

Dabei steht der Verein gut da: Übersetzt durch Gebärdensprachendolmetscherin Andrea Schmegel lässt Kapper wissen, dass „seiner“ Organisation derzeit 65 Hörbehinderte angehören, darunter vier Kinder. Einige dieser gehandicapten Menschen sind nicht in der Lutherstadt beheimatet. Sie kommen unter anderem aus Bitterfeld, Dessau, Zerbst oder Berlin, „weil es nicht in jeder Stadt eine entsprechende Interessengemeinschaft gibt. Andererseits haben uns eine Reihe Mitglieder nach ihrem Wegzug aus Wittenberg die Treue gehalten“, so Kapper.

Auch er hatte nun eigentlich einen Ortswechsel geplant. Die Trennung von seiner in Chemnitz lebenden Ehefrau und von der dreijährigen Tochter sollte ein Ende haben. Mit einem Umzug aus seiner derzeitigen Wohnung in Coswig in die sächsische Metropole wird es jedoch noch eine Weile dauern. In Chemnitz hatte sich Kapper vergeblich um Arbeit bemüht. Da kam es ihm wie ein Glücksumstand vor, im Markt der Raiffeisen Warengenossenschaft Köthen-Bernburg in Coswig eine Anstellung zu finden. Seine vergebliche Suche in Chemnitz bestätigte erneut eine Erfahrung vieler Gehörloser, dass ihnen der Arbeitsmarkt nur wenig Chancen bietet. Oftmals würden Betroffene vorschnell für viele Tätigkeiten als ungeeignet angesehen.

Auch dies war und ist ein Grund, warum sich der langjährige Chef des Vereins unermüdlich für die Interessen seiner Klientel einsetzt. Dass dieses Engagement nicht umsonst war, zeigt unter anderem das Vereinsheim im Elbe-Gewerbepark in der Dessauer Straße 13. Mit tatkräftiger Unterstützung aktiver Helfer aus den eigenen Reihen wurden vor zehn Jahren die angemieteten Räume zum Gehörlosenzentrum ausgebaut. Seither dient dieses Domizil nicht nur als Anlaufpunkt für Betroffene, sondern auch als Begegnungsstätte und Veranstaltungsort.

Kappers Engagement reicht jedoch viel weiter. „Bereits zu Beginn der Lutherdekade habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass einige unserer Mitglieder zum Stadtführer ausgebildet werden. Sie könnten gehörlosen Touristen in Gebärdensprache die Stadt erläutern. Das blieb leider ohne entsprechende Reaktion“, so Kapper.

Überhaupt ärgert er sich mitunter über die Gedankenlosigkeit einiger Verantwortungsträger oder Behörden. „Körperlich behinderte Menschen finden beim Bau oder der Sanierung öffentlicher Gebäude durch barrierefreie Zugänge oder Aufzüge mehr und mehr Berücksichtigung. An uns wird selten gedacht“, mahnt Kapper, „ich meine damit zum Beispiel fehlende visuelle Anzeigen auf Bahnhöfen oder in Zügen. Vom gesprochenen Wort bekommen Gehörlose nichts mit. Sie sind auf ihren Gesichtssinn angewiesen“. Ein weiteres Problem sieht er darin, dass es die einst im Beisein eines Gebärdensprachendolmetschers in der Kreisverwaltung praktizierten Sprechstunden für Hörbehinderte nicht mehr gibt. „Das ist leider vor zwei Jahren eingeschlafen. Ich habe das Problem im September im Sozialausschuss thematisiert. Leider ist bis heute diesbezüglich nichts passiert. Dabei haben davon sowohl die Gehörlosen, als auch die Mitarbeiter dieser Behörde profitiert“, weiß Kapper aus Erfahrung.

Er selbst will nach der Wahl eines neuen Vorstands seiner einstigen Wirkungsstätte treu bleiben. „Ich stelle mir vor, als Beigeordneter eine Beraterfunktion auszuüben“, so Uwe Kapper. (mz)