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Gedenkstätte Lichtenburg  Gedenkstätte Lichtenburg in Prettin: Erinnerungen an Österreicherinnen im KZ

Von Detlef Mayer 22.01.2017, 20:41
Eine Zelle des von den Häft­lin­gen als Bunker be­ti­tel­ten Traktes der Ein­zelar­rest­zel­len des KZ Lich­ten­burg ist hier zu sehen.
Eine Zelle des von den Häft­lin­gen als Bunker be­ti­tel­ten Traktes der Ein­zelar­rest­zel­len des KZ Lich­ten­burg ist hier zu sehen. Sven Gückel

Prettin - Holocaust-Gedenken - so wird gemeinhin genannt, was am kommenden Freitag, 27. Januar, um 14 Uhr auch in der Gedenkstätte KZ Lichtenburg in Prettin stattfindet.

Doch deren Leiterin Melanie Engler hat ein Problem mit dieser Bezeichnung - „Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus“ ist ihrer Meinung die korrektere Bezeichnung. Denn: Es gebe sehr viele Opfergruppen, der Begriff Holocaust aber sei konkret auf Juden, Sinti und Roma zugeschnitten.

Derzeit, so Prettins Gedenkstättenleiterin Melanie Engler gegenüber der MZ, arbeite man intensiv am Veranstaltungskalender für das laufende Jahr. Bereits fest stehe, dass es im April eine Lesung bzw. Buchvorstellung mit Robert Cohen geben werde. Der Literaturwissenschaftler habe die Gestapo-Akten zu der deutschen Kommunistin und Widerstandskämpferin Olga Benario (1908 bis 1942) ausgewertet. Bei dem Gastauftritt des US-amerikanischen Autors handele es sich um eine Doppelveranstaltung. Neben Prettin, wo Olga Benario 1938/39 im KZ Lichtenburg einsaß, werde er den Vortrag, wegen der Ausrichtung auf ihre Person, auch in der Bernburger Euthanasie-Gedenkstätte halten, wo sie umgebracht wurde. Robert Cohen verbindet die beiden Lesungen mit einem längeren Deutschland-Aufenthalt. Er werde, wie Melanie Engler herausstellt, „sehr fundiertes Material“ präsentieren, das es ermögliche, sich mit Olga Benario zu befassen, ohne einer ideologischen Einfärbung aufzusitzen.

Im Juli sei, in Zusammenarbeit mit der Gedenkstättenstiftung des Nachbarlandes, in Prettin eine Sonderausstellung über frühe KZ in Brandenburg geplant. Diese beziehe sich auf den Zeitraum 1933/34. Unter den KZ, die in der Schau beleuchtet werden, befinde sich auch jenes in Oranienburg (1934 aufgelöst). Häftlinge von dort wurden in die Prettiner Lichtenburg überstellt. Die Wanderausstellung toure eigentlich durch Brandenburg, aber die Lage der Lichtenburg im Dreiländereck von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg prädestiniere sie für diese Exposition, betont Melanie Engler. Schließlich kämen auch Schulklassen und Besucher aus dem Nachbar-Bundesland in die hiesige KZ-Gedenkstätte. Und diese Sonderschau - die auch verdeutliche, wie flächendeckend das KZ-System der Nationalsozialisten angelegt war - sei vielleicht eine Möglichkeit, noch mehr Brandenburger nach Prettin zu locken.

Für das Workcamp im Sommer, vorgesehen ist es wieder im August, habe man einen Förderantrag gestellt, informiert Melanie Engler über den Stand der Vorbereitungen. „Wenn die Finanzierung steht, gibt es eine internationale Ausschreibung.“ Ihr schwebe vor, das Workcamp diesmal in der Lichtenburg zu konzentrieren, mit einem der großen Häftlings-Schlafsäle als Schwerpunkt. Das jedoch bedürfe noch der Zustimmung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (der Bund ist Eigentümer des Schlosses) und des Denkmalschutzes. Ansonsten wäre auch Prettins Stadtpark erneut ein denkbares Themenfeld.

Wegen der Vielzahl an Opfergruppen rücke man in Prettin jährlich wechselnd eine andere in den Fokus des Gedenktages. 2016 waren es die jüdischen Häftlinge im Männer-KZ (1933 bis 1937), 2015 prominente Inhaftierte, 2014 fand in der Lichtenburg die zentrale Gedenkveranstaltung Sachsen-Anhalts statt, 2013 hatte man sich auf die Zeugen Jehovas konzentriert und 2012 auf politische Häftlinge, rekapituliert Melanie Engler. Diesmal lege man besonderes Augenmerk auf die Österreicherinnen im Frauen-KZ (1937 bis 1939).

Gedenkstätte KZ Lichtenburg in Prettin: Neuer Versuch aus einer anderen Perspektive

„Prominente oder Österreicherinnen sind keine Einteilung der Nationalsozialisten“, betont die Gedenkstättenleiterin. „Wir wollen damit die Gliederung, den Duktus der Nazis aufbrechen und eigene Zusammenfassungen und Kategorien aufstellen.“ Denkbar sei da zum Beispiel eine Einteilung nach Herkunft oder Jugendliche als eine Gruppe zu betrachten.

Auch mit den in diesem Jahr auserkorenen Österreicherinnen gehe es um den Versuch, eine andere Perspektive aufzuzeigen. „Nach der Angliederung Österreichs ans Deutsche Reich 1938 wurden Frauen von dort ins zentrale KZ in Deutschland gebracht“, sagt Melanie Engler und meint damit die Lichtenburg.

Wie sie erläutert, schufen die Nazis 1934 eine Inspektion der Konzentrationslager als Verwaltungszentrale. „Sie bestimmte die Lebensbedingungen in den KZ und die Transportwege.“

Sie forcierte auch, in der Lichtenburg ein zentrales Frauen-KZ - als Vorgänger von Ravensbrück - einzurichten. Im Dezember 1937 wurde es in Prettin eröffnet. Was sich 2017 zum 80. Mal jährt. „Daher die Idee, das Frauen-KZ zum Schwerpunkt des Gedenkens zu machen.“

Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin: Szenische Lesung von Gymnasium geplant

Dies wiederum habe zu umfangreichen Recherchen bezüglich der Österreicherinnen als Häftlingsgruppe geführt. Jede Menge Material in Form von Kopien sei zusammengetragen worden - hauptsächlich aus Österreich.

„Bislang gesichert ist, dass die Nazis 20 Frauen aus Österreich in der Lichtenburg inhaftiert hatten“, resümiert Melanie Engler. „Wahrscheinlich waren es jedoch mehr.“

Die Verfolgungsgründe seien ganz unterschiedlich gewesen - sie betrafen Politische, Widerständler, Juden und so genannte „Rassenschänderinnen“. „Dieses Spektrum soll auch Gegenstand der Gedenkveranstaltung sein“, die traditionell mit dem Gymnasium Jessen ausgestaltet werde.

Das Besondere an der geplanten szenischen Lesung sei, dass Lehrerin Cosima Schmidt sie mit einem Geschichtskurs der jetzigen zwölften Klasse über das ganze bisherige Unterrichtsjahr hinweg erarbeitet habe.

„Die Schüler haben selbst geforscht, Dokumente und Zitate ausgewählt und sich mit Lebensgeschichten verschiedener Frauen auseinandergesetzt“, berichtet die Gedenkstätten-Chefin. „Das ist großartig, weil besonders nachhaltig. Eine tolle Idee von Cosima Schmidt.“

Die szenische Lesung der 18 Gymnasiasten soll etwa 30 Minuten dauern. Außerdem vorgesehen sind eine historische Einführung durch Melanie Engler, eine Rede von Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) und eine Kranzniederlegung im Bunker. (mz)